Bottrop/Duisburg. Joachim Gauck, der Präsident der klaren Worte in der Region der klaren Sprache. Das passt. Ob in Bottrop, Düsseldorf oder Duisburg - Gauck überzeugte bei seinem NRW-Antrittsbesuch. Zumindest diejenigen, die ihn sehen durften. Einige Bewohner in Duisburg-Hochfeld durften ihre Häuser nicht verlassen.
„Für Wulff wäre ich nicht gekommen“, sagt Charlotte Amthor. Zusammen mit ihrem Mann Helmut und vielen Bottropern hat sie sich in der Gartenstadt Welheim einen besonders guten Platz gesichert, um „ihn“ zu sehen. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich das Ruhrgebiet als Schwerpunkt für seinen Antrittsbesuch in NRW ausgesucht. Schwarz-rot-goldene Fähnchen schwenkend stehen sie im Vorgarten. Aufgeregt? „Na klar. Das ist doch der Hammer, dass das Staatsoberhaupt zu uns nach Bottrop kommt“, will sich Brigitte Kamratowski gar nicht mehr beruhigen.
So wie ihr geht es vielen Menschen an diesem Tag in NRW. Düsseldorf, Duisburg und eben Bottrop stehen auf dem Reiseplan des Bundespräsidenten. Die Begrüßung durch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Landtag und der Empfang des Oberbürgermeisters in Düsseldorf sind die ersten Stationen von Joachim Gauck.
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Es folgt eine Stippvisite in Bottrops Innenstadt. Im Zentrum für Information und Beratung (ZIB) lässt er sich vom Moderator des Initiativkreises Ruhr, Bodo Hombach, das Projekt Innovation City erklären. Und auch den Schlag Mensch, der den Bundespräsidenten hier erwartet. „Klares Denken, klare Sprache“, sagt Hombach. Gauck dürfte sich hier wohlfühlen.
Der Mann mobilisiert die Menschen. Manche nicht ganz freiwillig. Denn wo ein Bundespräsident auftaucht, ist er nie ganz allein. Er wird begleitet von einem großen Polizeitross und ebenso vielen Journalisten. Ganz dicht ran dürfen in Bottrop nur wenige Menschen – aber die bekommen auch den ganzen Gauck. Bereitwillig erfüllt er Autogrammwünsche und schüttelt Hände.
Sogar diejenigen, die ihn nicht zu Gesicht bekommen, macht er glücklich. Wie Patricia Kriesche. Sie führt das Hotel Rhein-Ruhr direkt neben dem ZIB. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen: Sprengstoffhunde schnüffeln durch die Lobby, Türen und Zugänge sind von Polizisten versperrt. Für die Hotel-Chefin kein Problem. „Er ist ja schließlich der Präsident.“
Gauck im Zechenhaus in Bottrop
Der Mann kann mit Menschen. Ein paar Minuten später steht Joachim Gauck mit Familie Kronenberg vor einem Zechenhaus in Bottrop. Am Beispiel des weißen Baus aus der Kaiserzeit informiert sich der Bundespräsident über energieeffizientes Sanieren. Familienvater Marco Kronenberg verspricht er, dass er die knapp 30 Presse-Vertreter nicht mit ins Wohnzimmer nehmen wird. Aber selbst das hätten die Kronenbergs heute wohl gewuppt. „Würde wohl was kuschelig werden.“ Klare Sprache. Gauck lacht. So ist das Revier.
Das Revier ist aber auch Vielfalt. Deshalb ist Joachim Gauck besonders froh, dass ihm Hannelore Kraft das Netzwerk Immendahl in Duisburg-Hochfeld zeigt. 85 Prozent der Kinder, die im Familienzentrum im Rahmen des Projekts „Kein Kind zurücklassen“ betreut werden, haben einen Migrationshintergrund. Und Integration hat Gauck schließlich zum Schwerpunkt erklärt. Deshalb hat er sich Montagabend auch noch mit über 150 Menschen im Duisburger Landschaftspark Nord getroffen, die sich auch ehrenamtlich in diesem Bereich engagieren.
Anwohner in Duisburg-Hochfeld durften nicht heraus zum Präsidenten
„Ich hab Sie schon mal in der Zeitung gesehen“, kräht es ihm zuvor entgegen, als er den Turnraum des Familienzentrums „Netzwerk Immendahl“ betritt. Gegenüber der Sprossenwände rutschen zwei dutzend Zwei- bis Sechsjährige gespannt auf den Bänken oder den Schößen ihrer Erzieherinnen herum. Endlich können sie ihm ihr Begrüßungslied präsentieren: „Guten Abend, guten Abend, wir winken euch zu.“ Gauck winkt nicht nur zurück – er klatscht die Kinder ab. „High Five“ vom Präsidenten.
Bundespräsident zu Gast
Gauck hatte in Bottrop und Duisburg soziale Brennpunkte erwartet, an denen er „gebrochenen Bürgern moralisch aufhelfen“ müsse. Doch er traf „Menschen voller Kraft und Mut in einer Region, in der es sich toll leben lässt.“ Mit dieser Liebeserklärung an das Revier bedankte Gauck sich in der Gebläsehalle des Landschaftspark Nord zum Abschluss für den Empfang.
Aber war denn da niemand, der dem Besuch von Joachim Gauck nichts Positives abgewinnen konnte? Nun, die Bewohner der Straße Immendahl in Hochfeld durften ihre Häuser nicht verlassen, so lange der Bundespräsident das Familienzentrum besuchte. „Ich hätte ihn gerne gesehen. Er ist ja ein toller Mensch“, sagt Binnur Yüksel aus dem geöffneten Fenster ihrer Wohnung in der Hochparterre. Echte Enttäuschung klingt anders.