Moskau. Angela Merkel hat bei ihrem Russland-Besuch harsche Kritik am Strafmaß für die Mitglieder der Punkband Pussy Riot geübt. “Zwei Jahre Straflager - das wäre in Deutschland nicht passiert“, sagte die Kanzlerin. Russlands Präsident Wladimir Putin wehrte sich gegen die Kritik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zu Beginn der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Moskau kritische Töne zur rechtlichen Situation in dem EU-Nachbarland angeschlagen. So bemängelte sie das Strafmaß der Bandmitglieder von Pussy Riot. Ein Auftritt wie der der russischen Punkband in einer Kirche würde auch in Deutschland "Diskussionen" hervorrufen, sagte Merkel am Freitag in Moskau. "Aber dass man dafür zwei Jahre ins Straflager muss, das wäre in Deutschland nicht passiert."
Russlands Präsident Wladimir Putin erwiderte, man müsse den Fall insgesamt sehen, es habe auch antisemitische Handlungen der Bandmitglieder gegeben. Er fuhr fort: "Das können wir nicht dulden." Er wolle aber eine "offene Diskussion, ohne Hassansatz". Es gebe zwischen Deutschland und Russland auch "keine düsteren Zeiten", sondern ab und an "Meinungsverschiedenheiten".
"Wenn ich immer gleich eingeschnappt wäre, könnte ich keine drei Tage Kanzlerin sein"
Die Kanzlerin wird bei den 14. deutsch-russischen Regierungskonsultationen von einigen Ministern sowie einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet. Bei den Konsultationen sollen unter anderem Wirtschaftsabkommen unterzeichnet werden. Thema der Gespräche wird nach Worten von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auch die zugespitzte Lage in Nahost sein.
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Merkel sagte weiter: "Unserer Freundschaft wird nicht besser, wenn wir alles unter den Teppich kehren und nicht darüber diskutieren." Es dürfe auch nicht jede Kritik sofort als destruktiv angesehen werden. Die Kanzlerin ging auch auf das Thema Rechtsstaatlichkeit in Russland grundsätzlich ein. So gebe es eine ganze Reihe von Gesetzen, "bei denen ich nicht erkennen kann", was daran die Meinungsfreiheit stärke. In Deutschland sei man auch von Regierungsseite gewohnt, auf Kritik einzugehen und zu reagieren. "Wenn ich da immer gleich eingeschnappt wäre, könnte ich keine drei Tage Bundeskanzlerin sein."
Merkel warnt davor, Kritik an Russland zu überziehen
Westerwelle hatte zuvor im Deutschlandfunk davor gewarnt, die Kritik an Russland zu überziehen. Kritik müsse möglich sein, etwa wenn es um die Syrienpolitik oder die innere Entwicklung Russlands gehe. Gleichzeitig sei es aber das Interesse der Bundesrepublik, die strategische Partnerschaft mit Russland auszubauen.
Deutsche Regierungskreise hatten bereits vor der Reise angekündigt, Merkel werde im Gespräch mit Putin im Kreml den Umgang mit der Zivilgesellschaft in Russland ansprechen. Hintergrund sind die Menschenrechtsverletzungen in dem Land und das teils gewaltsame Vorgehen gegen die Opposition. Der Bundestag hatte vor kurzem einen Antrag verabschiedet, der die repressiven Tendenzen in dem Land mit scharfen Worten anprangert und auf eine Stärkung von Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit in Russland pocht. Moskau reagierte pikiert.
Deutschland und Russland wollen Jugendaustausch stärken
Es gibt aber auch versöhnliche Schritte: Ein Ziel beider Staaten ist es etwa, den Jugendaustauch zu stärken. Um die Kontakte zwischen jungen Leuten aus Russland und Deutschland zu fördern, soll es Visa-Erleichterungen geben. Eine entsprechende Absichtserklärung wollten am Freitag die Außenminister Westerwelle und Sergej Lawrow unterzeichnen. "Unser Fernziel heißt Visa-Freiheit; dem müssen wir uns Schritt für Schritt annähern", sagte Westerwelle. (dapd)