Berlin. . Bei einem seiner ersten Auslandsbesuche als neuer Präsident Russlands erklärte Wladimir Putin in Berlin, man werde den „intensiven politischen Dialog“ der Vergangenheit fortsetzen. Dennoch blieb die Atmosphäre beim Treffen mit Kanzlerin Merkel kühl.
Um alle Lügen zu strafen, umarmt er Angela Merkel, Küsschen rechts, Küsschen links. Ein Lächeln huscht über Wladimir Putins Gesicht, als er an der Seite der Kanzlerin die Formation der Bundeswehr abschreitet.
Den Berichten über eine „neue Eiszeit“ setzt der russische Präsident Bilder der Herzlichkeit entgegen. Eine Stunde später, als beide sich im Kanzleramt den Journalisten stellen, bestätigt sich der erste Eindruck. Putin war verbindlich im Ton, aber hart in der Sache. Ob die Syrien-Krise, über die sie diskutieren, den Präsidenten überhaupt berührt?
Das tägliche Morden
Von Menschenrechtsverletzungen redet Merkel, vom „Massaker“ in Hula. Putin spricht von Gewalt. Sie ergreift Partei, für die Opposition – er bleibt distanziert. Die Kanzlerin mahnt, alles zu tun, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Er wünscht sich „Professionalität, Geduld“. Es gebe keine Lösung „von jetzt auf gleich“. Es gehe „um die Menschen“, sagt sie. Er: Es gebe „viele Interessen“. Hintergrund: Das Assad-Regime ist ein Verbündeter, die russische Marine unterhält eine Basis im Land.
Mit Kofi Annan gebe es einen UN-Sondergesandten, man solle aufhören, vom Scheitern der Mission zu reden, mahnt Putin. Er kann warten. Das tägliche Morden nimmt er ungerührt zur Kenntnis. Beide setzen auf eine politische Lösung. „Das ist möglich“, versichert der Russe. Er sei für einen Dialog im UN-Sicherheitsrat und gegen einen „Alleingang“. Politikersprech. Im Klartext: Er will keine Militäraktion. Merkel drängt ihn auch nicht. Das würde die Frage provozieren, ob Deutschland dabei wäre. Ihre Skepsis kennt man seit dem Libyen-Einsatz.
Sie spricht Russisch, er Deutsch
Eine gute Stunde sitzen sie zusammen, auf jeder Seite jeweils drei Berater. Sie spricht Russisch, er Deutsch. Man versteht sich – und wiederum auch nicht. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder hielt Putin für einen „lupenreinen Demokraten“. Sie macht deutlich, dass die demokratische Vielfalt in Russland weiter entwickelt werden sollte. Wieder so ein Polit-Vokabular, durch die Blume mahnt die Kanzlerin mehr Freiheiten an. Ohne sie kann sich keine Zivilgesellschaft entwickeln.
Als Putin nach zwei Amtszeiten – so sah es die Verfassung vor – Platz machte für Dmitrij Medwedew, da hat Merkel gehofft, dass der Nachfolger sich emanzipieren und Gefallen an der Macht finden würde. Nun weiß sie: Er hielt nur den Präsidentensessel warm. Nun ist er zurück, mächtiger denn je, darum ist er hier: Antrittsbesuch. Eine Pflichtübung. Trifft erst sie, dann Bundespräsident Joachim Gauck, um am Abend weiter zu fliegen zum neuen französischen Präsidenten. Man muss die Zeichen zu deuten wissen. Die erste Auslandsreise führte ihn nach Weißrussland, also zu einem Nachbarn und Despoten. Berlin ist nur noch eine Zwischenstation.
Der Handel läuft gut
Nicht alles liegt im Argen. Der Handel läuft gut. 40 Prozent der russischen Währungsreserven sind in Euro angelegt. Der Unmut über eine Abhängigkeit von russischem Gas lässt nach. Wenn, dann gebe es sie auf beiden Seiten, so Putin. Die Russen brauchen die Einnahmen. Bald läuft das deutsch-russische Jahr an, mit 1000 Veranstaltungen in 50 Städten. Der EU-Russland-Gipfel steht vor der Tür, der „Petersburger Dialog“, im Herbst ein Treffen in Kasan, auch die G-20-Präsidentschaft läuft auf Russland zu. Merkel muss sich mit Putin arrangieren.