Berlin. Die Bundeskanzlerin und Spitzen der FDP versuchen die jüngsten Beschlüsse von Schwarz-Gelb in ein positives Licht zu rücken: Man habe Handlungsfähigkeit bewiesen. Aber vor allem das Betreuungsgeld ist weiterhin heftig umstritten. Mehrere Abgeordnete der Liberalen und von der CDU wollen das Projekt im Parlament ablehnen.

Spitzenpolitiker von Union und FDP haben die Beschlüsse des Koalitionsgipfels gegen Kritik aus Opposition, Wirtschaft und Kommunen verteidigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechtfertigte auf einer Regionalkonferenz ihrer Partei insbesondere das Betreuungsgeld und das Ziel, die Schuldenbremse bereits ab 2013 einzuhalten. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warf der Opposition vor, ihre Kritik sei an "Scheinheiligkeit nicht zu übertreffen". FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wies Einwände aus der Wirtschaft zurück. Derweil nimmt die Kritik an einzelnen Beschlüssen, wie dem Betreuungsgeld, auch in den Koalitionsparteien zu.

Brüderle sagte, die Regierungsparteien seien "nicht den Wirtschaftsverbänden verpflichtet, sondern dem Gesamtwohl des Landes". Für gesetzlich versicherte Familien, Kranke und viele ältere Menschen sei die Abschaffung der Praxisgebühr "sehr wohl eine spürbare Entlastung". Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte zuvor die Beschlüsse zu Praxisgebühr und Betreuungsgeld scharf kritisiert.

Kauder betont Handlungsfähigkeit der Koalition

Merkel sagte am Montagabend auf einer CDU-Regionalkonferenz in niedersächsischen Bad Fallingbostel, Eltern sollten sich nicht dafür entschuldigen müssen, dass sie ihre Kinder nicht in die Kita bringen. Deshalb bekämen nun diejenigen "ein bisschen Unterstützung, die ihre Kinder ein paar Jahre zuhause erziehen".

Die CDU-Vorsitzende lobte auch die Übereinkunft im Regierungsbündnis, dass der Bund die Schuldenbremse bereits 2013 einhalten will. Dies sei ein "sehr gutes Ergebnis". Schließlich zeige gerade die europäische Finanzkrise, dass Schulden Staaten "die volle Freiheit" nähmen.

Kauder betonte, über Monate habe die Opposition eine Reduzierung der Verschuldung und eine Abschaffung der Praxisgebühr gefordert. "Die Koalition packt das nun an, während die SPD und die Grüne immer neue milliardenschwere Wahlversprechen ausarbeiten."

Schwarz-Gelb muss bei Bundestagsabstimmung mit Abweichlern rechnen

Trotz der Übereinkunft im Koalitionsausschuss muss Schwarz-Gelb mit Abweichlern bei der Bundestagsabstimmung zum Betreuungsgeld rechnen. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper (FDP), will die Geldleistung im Bundestag ablehnen. "Für mich ist das Betreuungsgeld eine doppelte Rolle rückwärts in alte Zeiten. Das ist eine Rückkehr zum alten Familienmodell Kinder, Küche, Kirche".

Auch der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke lehnt das Betreuungsgeld weiterhin ab, da die Barauszahlung immer noch möglich sei. "Es bleiben soziale Fehlanreize", kritisierte Klimke. Der CDU-Politiker monierte, dass das Geld nicht investiert, sondern konsumiert werde.

Die CDU-Frauen wollen sich mit dem vom Koalitionsausschuss beschlossenen "Prüfauftrag" für bessere Mütterrenten nicht zufrieden geben. "Wir dürfen die Mütter nicht länger warten lassen, deshalb muss die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorlegen", sagte Frauen-Union-Vorsitzende Maria Böhmer der "Rheinischen Post"" (Dienstagausgabe). Dieser müsse dann vorsehen, dass "spätestens ab 2014" für Rentnerinnen und Rentner die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung für vor 1992 geborene Kinder verbessert wird.

Die Jungen Liberalen sprachen sich dafür aus, das Betreuungsgeld nach der Bundestagswahl 2013 wieder abzuschaffen. "Auch wenn es mit Kostensenkung und Bildungskomponente besser geworden ist, bleibt die dahinter liegende Idee falsch", sagte der Chef der FDP-Nachwuchsorganisation, Lasse Becker. Becker ist auch Vorstandsmitglied der FDP.

Städtebund sieht hohen Bürokratieaufwand durch Betreuungsgeld

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund lässt ebenfalls kein gutes Haar am Betreuungsgeld. "Junge Eltern, die im Beruf erfolgreich sein wollen, möchten ihre Laufbahn fortsetzen und werden sich davon nicht mit 150 Euro im Monat abbringen lassen", sagte Städtebund-Chef Gerd Landsberg der "Rheinischen Post". Die Umsetzung des Betreuungsgeldes bringe zudem einen erheblichen bürokratischen Aufwand. "Die Mittel für das Betreuungsgeld wären besser genutzt, würden sie zur Absicherung des Rechtsanspruches auf einen Kitaplatz eingesetzt", betonte Landsberg.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, vermisst bei den Koalitionsbeschlüssen zur Rente Nachbesserungen für Ostdeutsche. Die Angleichung der Renten im Osten an das Westniveau stehe im Koalitionsvertrag von Union und FDP, sagte sie der Onlineausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung". Merkel habe 2009 versprochen, dass die Angleichung in dieser Legislaturperiode kommt. Kipping will das Thema nun zum Gegenstand des Bundestagswahlkampfs 2013 machen.

Bei den Grünen stößt die Entscheidung des Koalitionsgipfels, Gewinne der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) künftig für die Sanierung des Bundeshaushalts zu nutzen, auf scharfe Kritik. Es sei verwegen, dass die Koalition zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe beschlossen habe und zur Gegenfinanzierung die Rücklagen des Gesundheitsfonds in Anspruch nehme und auf Gewinne der staatlichen KfW-Bank hoffe, sagte die Grünen-Haushaltsexpertin Priska Hinz. (dapd)