Bottrop. .
„Wunderbar!“ So kommentiert Dr. Gregor Postberg,, Sprecher der niedergelassenen Ärzte in Bottrop, spontan das Aus für die Praxisgebühr. Mit der Entscheidung der schwarz-gelben Koalition, die vierteljährlichen Zuzahlung bei Arzt- und Zahnarztbesuch zum 1. Januar 2013 ersatzlos zu streichen, hat das jahrelange Gezerre um die Praxisgebühr nun ein Ende.
Die seit 2004 geltende Praxisgebühr hatte nie Begeisterungsstürme ausgelöst. „Die Ärzte fanden sie absolut nicht prickelnd“, so Postberg. „Und sei langem ist umstritten, ob diese Gebühr ihren einstigen Sinn und Zweck erreicht.“ Denn als Steuerungsinstrument bei Arztbesuchen habe sie eigentlich nie funktioniert. „Schnell zeigte sich, dass Patienten die Praxisgebühr zwar ärgert, aber sie dennoch nicht seltener zum Arzt gehen“, so Postberg.
Bürokratischer Aufwand
Für die rund 150 Arztpraxen im Stadtgebiet bedeutete die Erhebung der vierteljährlichen Praxisgebühr vor allem viel bürokratischer Aufwand. „Immer wieder mussten Patienten angemahnt oder letztlich an die Kassenärztliche Vereinigung gemeldet werden, wenn sie die Praxisgebühr nicht bezahlt haben“, stellt Postberg fest. „Das brachte viel Ärger mit sich und hatte mit Medizin nichts zu tun. Die Zeit kommt künftig den Patienten zu Gute.“
Die gleichzeitig hohen Verwaltungskosten bemängelt Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe: So seien 2011 im Raum Westfalen-Lippe etwa 170 Millionen Euro über Praxisgebühren in die Kassen der Krankenkassen geflossen. „Demgegenüber stehen aber rund 39 Millionen Euro, die für die Inkassoverfahren aufgebracht werden mussten, um die Praxisgebühr von säumigen Patienten einzufordern.“ Daher begrüßt auch Schneider die Abschaffung der Gebühr, räumt jedoch ein: „Dieser Schritt kam jetzt relativ überraschend, die gesamte Tragweite der Entscheidung ist noch nicht abzusehen.“ Es falle eine große Einnahmequelle weg, dieses Geld haben die Kassen für die Versorgung genutzt.
Der KV-Sprecher hofft jedoch, dass der Wegfall der Praxisgebühr für die Patienten nun nicht „der Freifahrtsschein für Arztbesuche“ wird. „Die Patientenzahlen in manchen Arztpraxen könnten nun steigen“, vermutet Schneider.
Mit Blick auf sich verschärfende Altersarmut begrüßt Dr. Gregor Postberg die Abschaffung der Praxisgebühr. „Die Gefahr, dass Leute sich das Geld für den Arztbesuch sparen und so Erkrankungen verschleppen oder frühe Diagnostik versäumen, wird immer größer.“