Düsseldorf. Das Durchschnittsalter der Beamten im Einsatz hat sich in NRW in den vergangenen Jahren auf 45 erhöht. Bis 2021 geht die Hälfte des jetzigen Personals in Ruhestand. In einigen Regionen können aufgrund von Personalnot und Überalterung nicht im nötigen Umfang Streifendienste gesichert werden.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaus, warnte vor einer verminderten Einsatzfähigkeit der Polizei. In den Bundesländern sei ein Durchschnittsalter der Beamten von 55 Jahren nicht ungewöhnlich. "Die sind natürlich nicht mehr in der Lage, jedem Jugendlichen hinterherzulaufen." Zwar gehe bis 2021 die Hälfte des jetzigen Personals in den Ruhestand. Wegen geringer Neueinstellungen werde diese Lücke aber nicht zwangsläufig zu einer Verjüngung der Belegschaft führen. Die Folge sei vielmehr eine fehlende Sicherheitsversorgung.
In Hamburg und Sachsen werde nach Angaben der GdP und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) die Sicherheit bereits in wenigen Jahren gefährdet sein. "Bestimmte Kriminalitätsformen können dann nur noch verwaltet und nicht mehr ausreichend verfolgt werden", kritisierte der BDK-Landesvorsitzender Uwe Baumert in Dresden.
Sicherheitslücken in Deutschland zu erwarten
In Brandenburg fühlten sich die Einwohner an ihren Heimatorten nicht mehr sicher, sagte Lutz Thierfelder von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Brandenburg. Wo früher drei bis vier Wagen gerollt seien, würde heute in einigen Regionen kaum noch die anstrebte Mindestzahl für Streifenfahrten erreicht.
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Der GdP-Sprecher in Thüringen, Edgar Große, sagte, der Mangel an Polizeibeamten führte dazu, "dass die Polizei zu bestimmten Ereignissen künftig einfach nicht mehr kommen kann". Erfahrungsgemäß würden die Sparmaßnahmen so lange verschärft, bis ein Unglück passiere, sagte Große. "Erst wenn es Tote gibt, denkt man daran, dass die Polizei benötigt wird."
In Berlin lässt der Personalbestand dem GdP-Sprecher, Dieter Großhans, zufolge lediglich noch eine Strafverfolgung zu. "Streifen können schon heute nicht mehr wegen der allgemeinen Unterbesetzung gelaufen werden". Nach der jüngsten tödlichen Prügelattacke am Alexanderplatz in Berlin war die Forderung nach mehr Polizeipräsenz in der Hauptstadt erneut laut geworden. Mitte Oktober starb ein 20-Jähriger, nachdem er von mehreren jungen Männern bewusstlos geschlagen worden war.
Um die Überalterung und die damit einhergehende Personalnot zu stoppen, müssen dem Gewerkschafter Wendt zufolge die Innenminister "sehr kurzfristig" spezielle Programme zur Entlastung entwickeln. Dazu gehöre, dass die Arbeitszeit älterer Kollegen verkürzt und Altersteilzeit wieder eingeführt werde.
"Man muss jetzt mehr einstellen"
GdP-Chef Bernhard Witthaut forderte Bund und Länder auf, aktiv zu werden: "Man muss jetzt mehr einstellen." Ein Sprecher des Innenministeriums in Brandenburg wies den Vorwurf zurück, zu wenig Polizeibeamte neu einzustellen. Den hohen Pensionierungszahlen werde bereits mit einer verstärkten Ausbildung von Polizeinachwuchs und entsprechenden Neueinstellungen entgegengewirkt. "Am Ende werden wir genau so viele Polizisten haben, wie wir brauchen."
Die Gefahr einer "Überalterung" der Polizei sei unbegründet, unterstrich der Sprecher. Zurzeit liege das Durchschnittsalter der Beamten im Einsatz in Brandenburg bei 44,2 Jahren, bis zum 2020 wird nur mit einem leichten Anstieg auf 44,6 Jahren gerechnet.
KriminalitätDer Altersdurchschnitt der Polizisten in NRW ist seit 2005 um dreieinhalb Jahre auf rund 45 Jahre gestiegen. In etlichen Behörden liegt das Durchschnittsalter bereits bei fast 50 Jahren. Obwohl die jährlichen Neueinstellungen vom Land aufgestockt werden, drohe der Polizei ab 2015 ein massiver Stellenabbau, weil viele Beamten in den Ruhestand gingen, warnten die Gewerkschaften. Wenn die Entwicklung anhalte, fehlten bis zum Ende des Jahrzehnts rund 2000 Gesetzeshüter, prognostiziert die Gewerkschaft der Polizei in NRW (GdP NRW).
Die rot-grüne Landesregierung hat bereits auf die Überalterung in den Polizeiwachen reagiert: Ab 2014 kommen nach Angaben des Innenministeriums mit 1400 Neueinstellungen deshalb jährlich rund 300 Kräfte mehr als bisher nach. "Das ist erforderlich, um die extremen Spitzen der Pensionierungen aufzufangen", sagte Ministeriumssprecher Wolfgang Beus. Derzeit gibt es rund 40.000 Polizisten im Land.
Gewerkschaft moniert "Rechenfehler"
Diese Maßnahmen reichten dennoch nicht aus, kritisiert die GdP in Düsseldorf. "Die Aufstockung ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, enthält aber einen entscheidenden Rechenfehler", sagte Gewerkschaftssprecher Stephan Hegger und fordert 1.700 zusätzliche Stellen pro Jahr. Nicht alle der 1.400 Nachwuchspolizisten, die ihre Ausbildung bei der Polizei beginnen, würden diese nämlich auch erfolgreich abschließen. "Wegen Abbrechern und Durchfallern treten rund sechs Prozent weniger den Dienst an". Mehr Frauen im Polizeidienst führten zudem zu vermehrten Erziehungszeiten und Ausfällen, die aufgefangen werden müssten. Faktisch sei nach Angaben der Gewerkschaft also mit rund 250 Nachrückern weniger zu rechnen.
Der NRW-Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, kritisierte zudem: "Auch die Bewerberzahlen gehen stetig zurück. Um die 1.400 Stellen besetzen zu können, müsste jeder zweite Bewerber genommen werden - auf Kosten der Qualifizierung und der Motivation."
Besonders kritisch ist die Situation in ländlichen Gebieten: So arbeiten laut einer Statistik des Ministeriums im Kreis Höxter mit einem durchschnittlichen Alter von 49,83 Jahren die ältesten Beamten. Zum Vergleich: In Köln ist ein "Durchschnittspolizist" 41,72 Jahre alt. (dapd)