Athen. Erhält Griechenland zwei Jahre mehr Zeit für die Sanierung des maroden Staatshaushalts? Laut einem Medienbericht hat sich die Regierung in Athen mit der EU auf eine solche Regelung verständigt. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagt, er wisse nichts von einem solchen Plan.
Das Bundesfinanzministerium hat der Darstellung des griechischen Finanzministers widersprochen, dass das Land bereits eine Zusage für weitere Finanzhilfen und mehr Zeit für Reformen erhalten habe. Nur die Euro-Gruppe könne einstimmig über den Bericht der internationalen Troika entscheiden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Mittwoch auf Anfrage. "Das ist mangels Bericht bisher noch nicht erfolgt." Die Euro-Finanzminister seien zudem gemäß ihrer nationalen Vorgaben auch an die Befassung ihrer Parlamente gebunden.
Auch EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat einem Zeitungsbericht widersprochen, nach dem die Euro-Staaten Griechenland zwei Jahre mehr Zeit zur Sanierung seines Haushalts geben wollen. "Es gibt bisher keine endgültige Einigung der Troika mit der griechischen Regierung. Wir machen Fortschritte, aber wir sind nicht da", sagte Asmussen im ARD-"Morgenmagazin" am Montag. Wenn man im Übrigen Griechenland mehr Zeit zum Erreichen seiner Haushaltsziele geben würde, dann bedeute das auch mehr Geld.
Über einen zweijährigen Aufschub für Griechenland zur Sanierung des Staatshaushalts ist nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), noch nicht entschieden worden. Man warte noch auf den Bericht der EU-Troika, sagte Kampeter am Mittwochmorgen im Deutschlandradio. Wenn der Bericht vorliege, werde geprüft, was die Troika vorschlage. Erst dann falle eine Entscheidung. "Alles andere ist Kaffeesatzleserei", sagte Kampeter.
Brüderle ist gegen vorschnelle Fristverlängerung für Griechenland
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle hat sich gegen eine vorschnelle Verlängerung der Frist zur Umsetzung von Reformen in Griechenland gewandt. Zunächst müsse der Bericht der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds abgewartet werden, sagte Brüderle am Mittwoch im Fernsehsender n-tv. "Jetzt vorab schon zu sagen, egal, was der Bericht sagt, egal, was ihr macht, ihr kriegt zwei Jahre Verlängerung, ist genau falsch, weil man den Druck aufrechterhalten muss", sagte Brüderle.
Die griechische Regierung müsse sich auf weitere Spar- und Reformpläne einigen und "klarmachen, dass sie wirklich ernsthaft das ihnen Mögliche tun, die Ursachen ihrer Misere - unterlassene Reformen, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit - endlich anzupacken", sagte Brüderle. "Griechenland darf kein Fass ohne Boden sein." Mit Blick auf antideutsche Ressentiments in Griechenland sagte der FDP-Fraktionschef: "Wir müssen da schon in klaren Linien bleiben, es ist nicht entscheidend, ob wir jetzt beliebt sind."
Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" erhält die griechische Regierung zwei Jahre mehr Zeit für die Sanierung des maroden Staatshaushalts. Athen müsse die Neuverschuldung statt 2014 erst 2016 wieder unter die EU-Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken.
Auch die Fristen für die Umsetzung von Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in der Energiewirtschaft sowie für den Verkauf staatlicher Betriebe und Grundstücke würden verlängert. Zugleich kann Ministerpräsident Antonis Samaras damit rechnen, dass die Euro-Partner in Kürze den dringend benötigten nächsten Hilfskredit in Höhe von fast 32 Milliarden Euro freigeben werden.
Bei den Privatisierungserlösen peile Athen nun bis Ende 2015 eine Summe von 8,8 Milliarden statt der bisher veranschlagten 19 Milliarden Euro an, hieß es weiter. Das ergebe sich aus dem Entwurf für ein sogenanntes Memorandum of Understanding, also für eine Absichtserklärung, die die Griechen und ihre internationalen Geldgeber miteinander ausgehandelt haben.
Griechenland benötigt wohle weitere Milliarden Euro als Finanzhilfe
Unklar blieb am Dienstag noch, wie die Lücke in der Finanzplanung für die Jahre 2013 und 2014 geschlossen werden soll, die durch die Zugeständnisse an Athen entsteht. Benötigt würden zusätzlich 15 bis 18 Milliarden Euro. Auch die Frage, wie sich Athen nach 2014 finanzieren soll, sei völlig offen.
Dass sich die Euro-Partner dennoch zu einem Entgegenkommen entschlossen haben, liegt dem Bericht zufolge daran, dass Griechenland die zugesagten Reformen erstmals beherzt umsetzt. Zudem seien die neuen finanziellen Probleme weniger auf politische Fehler als auf die tiefe Rezession im Land zurückzuführen, die auch die Geberstaaten so nicht erwartet hätten. Hinzu komme, dass ein faktischer Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone aus Sicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und anderen führenden Regierungschefs der EU politisch wie wirtschaftlich zu riskant wäre.
In Griechenland zeichnete sich am Dienstag bei den Verhandlungen über die von den Geldgebern geforderten Arbeitsmarktreformen keine Annäherung ab. Nach Beratungen mit Samaras blieben sowohl die Demokratische Linke als auch die sozialdemokratische Pasok bei ihrem Nein. Eine Einigung mit der sogenannten Troika ist nötig, um die nächste Hilfstranche für Griechenland freizugeben.(dapd/rtr)