Brüssel. . Wieder ein schwammiger Kompromiss. Frankreich feiert die grundsätzliche Einigung. Merkel besteht darauf, dass die bei der EZB angesiedelte Aufsicht gründlich vorbereitet wird. Das mag richtig sein - die Lösung der anstehenden Probleme zieht sich damit allerdings weiter in die Länge.

Es war ein großer Schritt für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre europäischen Kollegen – aber ein kleiner Schritt auf dem Weg zu „Mehr Europa“. Immerhin legten die Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel ihren Streit um die geplante gemeinsame Bankenaufsicht bei. Sowohl Frankreich als auch Deutschland können das ihren Bürgern als Sieg verkaufen.

Europas Spitzenpolitiker beschlossen zugleich vage Eckpunkte, wie die Wirtschafts- und Währungsunion gestärkt werden kann. Ein ausführlicher Fahr- und Zeitplan ist für Dezember angepeilt. Ziel ist, Europa widerstandfähiger gegen künftige Finanzkrisen zu machen.

Bis dahin soll auch der Rechtsrahmen für die europäische Bankenaufsicht ausgearbeitet sein. Dann könne die Kontrollbehörde möglicherweise bereits im Laufe des nächsten Jahres errichtet werden.

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Vor dem EU-Gipfel hatte Frankreichs sozialistischer Präsident Francois Hollande öffentlich Druck auf Merkel ausgeübt, die europäische Bankenaufsicht zumindest für die etwa 6000 Banken im Euro-Währungsraum bis Anfang nächsten Jahres durchzudrücken – im Schnellverfahren. Hollande weiß dabei südeuropäische Sorgenstaaten hinter sich. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy freute sich jedenfalls ob des erreichten Gipfel-Kompromisses: „Die Bankenaufsicht war einst nur eine Möglichkeit, jetzt wird sie Wirklichkeit.“ Der Hintergrund: Steht die Bankenaufsicht einmal, können taumelnde Banken direkt beim Euro-Rettungsfonds um Notkredite bitten.

Gründlich statt schnell

Bisher müssen das Staaten für ihre Banken erledigen. Die Notkredite erhöhen damit weiter den staatlichen Schuldenberg – und verschärfen damit die Finanzprobleme des betroffenen Landes. Spanien, das um Notkredite aus dem Rettungsfonds für seine Banken bitten musste, macht derzeit diese bittere Erfahrung.

Die konservative Kanzlerin Merkel betont dagegen stets, dass auch hier „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gelte. Eine europäische Bankenaufsicht aus dem Nichts aufzubauen, sei aufwändig und kompliziert. Bis Anfang 2013 sei das nicht zu schaffen. „Das ist klar wie Kloßbrühe“, sagte die Kanzlerin. Ähnlich sehe das auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi.

Vernachlässigung der Hauptaufgabe?

Die EZB soll die Banken im Euroraum künftig beaufsichtigen. Allerdings ist noch nicht ausgemacht, wie sich das sauber von ihrer Hauptaufgabe trennen lässt: Die EZB muss die Preisteuerung („Inflation“) im Zaum halten. Zudem befürchten EU-Staaten, die nicht dem Euro-Raum angehören, Nachteile. Ihr Argument: Erhalten Banken im Euro-Raum eine Art „Gütesiegel“ von der gemeinsamen Bankenaufsicht, wandert Geschäft zu ihnen ab – aus EU-Staaten, die nicht bei der Aufsicht mitmachen.

Auch bei anderen Aspekten, wie die Europäer künftig enger zusammenrücken sollen, blieben die Regierungschefs schwammig. Klar ist ihnen jedoch, dass die Wirtschafts- und Währungsunion „erhebliche Architektur-Unzulänglichkeiten“ hat, wie Merkel es nennt. Zu diesen Unzulänglichkeiten gehört auch, dass die 17 der 27 EU-Staaten zwar eine gemeinsame Währung haben, aber keine gemeinsame Haushaltspolitik. Salopp gesagt, kann jeder Staat also mit dem Geld seiner Steuerzahler machen, was er will. Gerät er dadurch in Schieflage (siehe Griechenland), gefährdet er aber eventuell den ganzen Euro-Raum. Hier haben die Spitzenpolitiker angesichts der Schuldenkrise neue Haushalts-Regelungen eingeführt. Weitere sollen folgen.

Vieles bleibt unklar

Die Politiker erwägen laut Merkel zudem, eine Art „Solidaritätsfonds“ für Euro-Staaten in Not einzurichten. Ein eigenes Budget für den Euroraum sei diese „angemessene Fiskal-Kapazität“ – so heißt es in der Gipfel-Erklärung – aber nicht. Was der Fonds genau leisten soll und woher das Geld kommt, ist noch unklar – wie so vieles andere auf dem Weg zu „Mehr Europa“.

Viel Arbeit steht also an – in wenigen Wochen. Die Politiker geben sich nur bis Dezember Zeit, um die großen Schritte für Europas Zukunft vorzubereiten.