Berlin. Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Frage der europäischen Bankenaufsicht Wahltaktik vorgeworfen. Sie wolle die Realisierung der Bankenunion bis mindestens nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr verzögern.

Nach dem EU-Gipfel hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Frage der europäischen Bankenaufsicht Wahltaktik vorgeworfen. Merkel wolle die Verwirklichung der Bankenunion bis mindestens nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr verzögern, sagte der frühere Bundesfinanzminister nach vorab veröffentlichten Aussagen im am Sonntag ausgestrahlten Interview der Woche des Deutschlandfunks. Damit wolle Merkel die bei der Bevölkerung eine unpopuläre Rekapitalisierung von angeschlagenen Banken durch den Steuerzahler aus dem Wahlkampf heraushalten.

Der EU-Gipfel hatte den Aufbau der neuen Aufsicht für die Eurozone im Verlauf des kommenden Jahres beschlossen. Frankreich und andere Länder hatten zunächst einen Start schon zum 1. Januar 2013 gefordert, was aber an Merkels Widerstand gescheitert war. Die Kanzlerin hatte schon auf dem Gipfel Unterstellungen zurückgewiesen, sie wolle die Bankenaufsicht wegen der Bundestagswahl hinauszögern. Hintergrund ist die Verknüpfung mit der Frage, ab wann der Euro-Rettungsfonds ESM angeschlagene Banken direkt unterstützen darf. Dies soll erst gehen, wenn die Bankenaufsicht arbeitsfähig ist.

In Stabilität Europas müsse investiert werden

Steinbrück sagte im Deutschlandfunk, er selbst plädiere bei den Banken für ein Modell, bei dem sich die Geldhäuser über einen Fonds selbst für Notfälle rüsteten. Diejenigen, die die Krise maßgeblich mitverursacht hätten, müssten sehr viel stärker als bisher an den Aufräumarbeiten beteiligt werden. Dass die Europäische Zentralbank künftig die Aufsicht über die Kreditinstitute erhalten soll, nannte der Sozialdemokrat im Grundsatz aber richtig. Jedoch dürfe es nur um systemrelevante Geldhäuser gehen und nicht um Sparkassen oder Genossenschaftsbanken.

Zur Frage der Euro-Mitgliedschaft Griechenlands sagte Steinbrück, dass die ökonomischen Kosten eines Kollapses und Austritts Athens sehr viel höher seien als die Hilfen zur Sanierung des Landes. In die Stabilität Europas müsse ebenso investiert werden wie früher in die Deutsche Einheit. Der deutsche Anteil an der Rettung des hochverschuldeten Griechenlands betrage nur einen Bruchteil der Kosten, die im Zuge der Wiedervereinigung entstanden seien.

SPD verliert in der Wählergunst

Die Nominierung von Peer Steinbrück zum SPD-Kanzlerkandidaten hat den Sozialdemokraten nur kurzfristig einen Auftrieb in der Wählergunst verschafft. Im aktuellen Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Emnid wöchentlich für "Bild am Sonntag" erhebt, muss die SPD im Vergleich zur Vorwoche einen Prozentpunkt abgeben und erreicht jetzt 29 Prozent. Zulegen konnten hingegen die Grünen, sie kommen auf 12 Prozent (Plus 1).

Die Union erreicht mit 38 Prozent den Wert der Vorwoche und bleibt klar stärkste Partei. Einen Prozentpunkt hinzugewinnen konnte die Piratenpartei (6 Prozent). Die Linkspartei musste einen Prozentpunkt abgeben (7 Prozent). Die FDP kommt unverändert auf 4 Prozent, die sonstigen Parteien erreichen ebenfalls 4 Prozent. (afp/dapd)