Gelsenkirchen. . Gelsenkirchen führt die bundesweite Armuts-Rangliste an. Dort wachsen 40,5 Prozent der unter Dreijährigen in Familien auf, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Das Revier folgt damit nicht dem allgemeinen Trend. Bundesweit ist das Risiko für Kleinkinder, in Armut aufzuwachsen, nämlich gesunken.
Das Risiko für Kleinkinder, in Armut aufzuwachsen, ist im vergangenen Jahr insgesamt zwar leicht gesunken, bleibt aber in vielen Großstädten auf hohem Niveau. Besonders schlimm ist die Lage im Ruhrgebiet. In Gelsenkirchen ist das Armutsrisiko für die Kleinsten sogar bundesweit am größten. Das geht aus einer Auswertung der Bertelsmann Stiftung hervor. Etwa jedes fünfte Kind unter drei Jahren ist in Deutschland von Armut bedroht.
Die Negativliste der Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern wird angeführt von Gelsenkirchen. Dort wachsen 40,5 Prozent der unter Dreijährigen in Familien auf, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Im Ranking der Kinderarmut folgen Halle an der Saale mit 38,1 Prozent, Essen (34,4 Prozent) und Berlin (34,3 Prozent). In Duisburg, Dortmund und Oberhausen lebt jedes dritte Kleinkind in Armut. Das Ost-West-Gefälle verringert sich laut der Studie. Seit 2008 habe sich die Kinderarmutsquote im Osten bei unter Dreijährigen von 33,4 auf 25,5 Prozent reduziert.
Baranowski sieht den Bund in der Pflicht
Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) sieht den Bund in der Pflicht. Geld dürfe nicht mehr „nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedürftigkeit“ verteilt werden, sagte er dieser Zeitung.
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„Bei dem Thema werde ich wütend“, sagt Frank Baranowski, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. Gerade erst hat die Bertelsmann Stiftung seiner Stadt den Spitzenplatz im deutschen „Kinderarmuts-Ranking“ zugewiesen. Das heißt: 40,5 Prozent der unter Dreijährigen lebten im Jahr 2011 in Familien, die ohne Sozialhilfe nicht klarkommen. Zum Vergleich: In München waren es 11,8 Prozent.
Baranowski glaubt, dass die arme Stadt Gelsenkirchen das tut, was sie tun kann: „Wir versuchen mit allen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass die Kleinsten gute Startchancen haben. Zum Beispiel mit Betreuungsketten, Ganztagsschulen, mit Familienhilfe, Hausbesuchen und Vorsorgeuntersuchungen. Aber ohne staatliche Unterstützung, zum Beispiel durch Impulse für den Arbeitsmarkt, durch Beendigung der Geldverteilung nach Himmelsrichtungen statt nach Bedürftigkeit, wird es keine schnellen Erfolge geben.“
Bochum mit 27,3 Prozent nicht ganz so schlecht
Baranowski, der auch Sprecher der Ruhr-SPD ist, erinnert an den Verfassungsauftrag, gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland zu schaffen. „Ich könnte wesentlich besser schlafen, wenn ich wüsste, dass die Kinder, die unsere Zukunft bedeuten, überall die bestmöglichen Rahmenbedingungen vorfinden – egal, ob in Ost oder West, in Nord oder Süd.“
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Etwas besser als in Gelsenkirchen, aber im bundesweiten Vergleich immer noch Besorgnis erregend, ist mit 33,3 Prozent die Armutsquote der Kinder in Dortmund und Duisburg. Bochum schneidet mit 27,3 Prozent nicht ganz so schlecht ab.
Eigentlich sinkt die Armutsquote
Das Kuriose dabei: Eigentlich sinkt die Armutsquote der Kleinkinder in Deutschland seit 2008 kontinuierlich. Diese Entwicklung geht aber laut Bertelsmann Stiftung an den Großstädten weitgehend vorbei. Ähnliches gilt für Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu den Bundesländern im Osten. Thüringen schnitt in diesem Kinderarmuts-Vergleich vor drei Jahren noch erheblich schlechter ab als NRW. Inzwischen sind diese Länder fast gleichauf.
Jörg Dräger von der Bertelsmann Stiftung plädiert als Konsequenz aus den Armutszahlen für eine bedarfsorientierte Verteilung von Geld: „Wo die Probleme größer sind, muss auch mehr Geld für gute Kitas und gezielte Förderung des Wohnumfeldes investiert werden.“