Abu Dhabi. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wirbt für eine rasche und grundlegende Weiterentwicklung Europas zu einer Fiskalunion. “Wir müssen jetzt größere Schritte in Richtung einer Fiskalunion machen“, sagte er. Dabei gehe es um Reformen, die zum Teil einer Änderung der EU-Verträge bedürfen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dringt auf eine weitreichende haushaltspolitische Integration in Europa. "Wir müssen jetzt größere Schritte in Richtung einer Fiskalunion machen", sagte Schäuble in der Nacht zum Dienstag auf der Rückreise von seinem Asien-Besuch. Nur so könne Europa Vertrauen zurückgewinnen. "Wir müssen diese Chance jetzt nutzen". Dabei geht es dem Minister um institutionelle Reformen, für die zum Teil die europäischen Verträge geändert werden müssen. Eingeleitet werden sollte das möglichst noch in diesem Jahr, sagte er.

Unter anderem tritt Schäuble für eine Stärkung des EU-Währungskommissars sowie des Europäischen Parlaments ein. Beraten werden soll über eine solche institutionelle Reform bereits beim bevorstehenden EU-Gipfel am Donnerstag, sagte Schäuble. Im günstigsten Fall könne dann beim darauffolgenden Gipfel im Dezember schon ein Konvent der EU-Länder einberufen werden, auf dem diese Vertragsänderungen beschlossen würden. "Wenn das einigermaßen läuft, könnten wir im Dezember so weit sein, dass wir den Konvent einberufen", sagte Schäuble.

EU-Haushaltskommissar soll allein entscheiden können

Schäuble hat seine Vorschläge nach eigenen Angaben bereits in die europäische Diskussion eingespeist. "Ich habe schon in der Euro-Gruppe gesagt: Wir sollten den Währungskommissar stärken." Der Kommissar müsse einen Haushalt an das nationale Parlament zurückweisen können, forderte er. Der Kommissar solle so stärker auf Länder im Defizitverfahren Einfluss nehmen können. Zudem müsse er allein entscheiden können, also ohne Abstimmung mit seinen Kommissionskollegen, lautet eine weitere Forderung Schäubles. "Er muss weltweit respektiert sein wie der Wettbewerbskommissar", sagte er.

EU-Währungskommissar Olli Rehn wurde zwar vor einigen Monaten zum Vizepräsidenten der EU-Kommission aufgewertet. Alleinige Entscheidungsrechte hat er im Gegensatz zum Wettbewerbskommissar aber nicht. Zu der Frage, ob der Währungskommissar stärkere Waffen, etwa Sanktionsmittel, erhalten soll, äußerte sich Schäuble nicht.

"Kanzlerin ist noch etwas vorsichtiger"

Ein weiteres zentrales Element der Vorschläge sind flexible Entscheidungen des Europäischen Parlaments. "Im Europäischen Parlament sollen immer nur die Abgeordneten der Länder über ein Thema abstimmen, die direkt davon betroffen sind", erläuterte der Minister. Dies würde etwa bedeuten, dass Entscheidungen, die nur die Euro-Gruppe betreffen, im Parlament nur von den Abgeordneten der 17 Euro-Länder mitentschieden würden. Generell spricht sich Schäuble für eine noch stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments an fiskalpolitischen Entscheidungen in der Union aus. Schäuble denkt dabei auch an eine weitere Lockerung des Einstimmigkeitsgebots bei wichtigen EU-Entscheidungen im Hinblick auf eine Fiskalunion.

Mit der Kanzlerin hat Schäuble über seine Vorschläge nach eigenen Angaben schon gesprochen. "Die Kanzlerin ist noch etwas vorsichtiger als ich", räumte er ein. Ausgangsthese Schäubles ist, dass der Fiskalpakt und die beschlossenen weiteren Maßnahmen für eine engere fiskalpolitische Zusammenarbeit in Europa nicht ausreichen, um verloren gegangenes Vertrauen in der Welt und an den Märkten zurückzugewinnen.

Schäuble will dauerhafte Lösung für die Euro-Zone

Seine Vorschläge sieht er daher als weitere Stärkung der Zukunftsfähigkeit der Euro-Zone und seiner Währung. Mit der Lösung des Griechenland-Problems, an der derzeit gearbeitet wird, sollte man das verbinden, und das Momentum nutzen, um zu einer gemeinsamen Fiskalpolitik zu kommen. "Natürlich gibt es da einen Zusammenhang", sagte er. Schließlich dürfe es in Sachen Griechenland nicht wieder nur um eine Kurzzeit-Lösung gehen. "Wir brauchen eine dauerhafte Lösung", forderte Schäuble. Auf Kritik sowie Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht ist Schäuble eingestellt. Das sei kaum zu vermeiden, sagte er.

Schäubles Vorstellungen sind auch eine Reaktion auf die Vorschläge der vier europäischen Präsidenten, also der Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Europäischen Rates sowie der Euro-Gruppe, zur Weiterentwicklung der Union. Diese sollen beim anstehenden Gipfel vorgelegt werden. Nach Schäubles Ansicht gehen diese Konzepte nicht weit genug. "Meine Überlegungen gehen dahin: Europa ist kompliziert." Das müsse man ändern, damit das Vertrauen zurückgewonnen werden kann, sagt er. (rtr)