Tokio. Deutschland bekommt die Auswirkungen der Euro-Krise zu spüren: Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose von 1,4 auf 0,9 Prozent korrigiert. Auch weltweit wird mit deutlich weniger Wachstum gerechnet. Eine Rezession bedeutet dieser Rückgang aber nicht.

Konjunkturbremse Euro-Krise, US-Schuldenberg und zu ehrgeizige Sparziele: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognosen für Deutschland und die Welt 2013 deutlich gesenkt. In seinem jüngsten Weltwirtschaftsausblick erwartet der IWF für die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent, nachdem er im Juli noch mit 1,4 Prozent gerechnet hatte. Weltweit prognostiziert der Fonds 2013 ein Plus von 3,6 Prozent, das sind 0,3 Prozentpunkte weniger als im Sommer. "Die Euro-Krise bleibt die deutlichste Bedrohung der globalen Wirtschaftsaussichten."

Deutschland bekomme nun die Auswirkungen der Krise bei seinen Euro-Partnern und Nachbarn zu spüren, erklärte der Leiter der Abteilung für weltwirtschaftliche Studien des IWF, Jörg Decressin, auf der Pressekonferenz am Dienstag in Tokio. Eine Rezession bedeute der Rückgang aber nicht.

Wachstum ist zu schwach

IWF-Chefökonom Olivier Blanchard wollte nicht vollends schwarz sehen: "Wenn die versprochenen Maßnahmen in Europa umgesetzt werden, kann man optimistisch sein." Wichtig sei das Tempo der Konsolidierungsmaßnahmen, strukturelle Ziele seien wichtiger als nominelle. Das gelte insbesondere für Griechenland und Spanien. Gegebenenfalls sollten Zielvorgaben angepasst werden wie im Falle Portugals, wo statt drei Prozent Staatsdefizit erst einmal nur der Rückgang auf vier Prozent erreicht werden solle.

Die Konjunkturrisiken hätten sich noch einmal verstärkt und seien beträchtlich, heißt es in dem IWF-Bericht. Es gebe inzwischen eine 17-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Industrienationen in die Rezession schlitterten. "Die Erholung setzt sich fort, aber sie hat sich abgeschwächt", schreibt Blanchard im Vorwort des Reports. Das Wachstum sei inzwischen zu schwach, um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

"Bankenunion und gemeinsame Haushaltspolitik nötig"

Die Wirtschaftsentwicklung könnte nach Ansicht des IWF noch düsterer ausfallen, sollten europäische und amerikanische Politiker nicht zu den richtigen Maßnahmen greifen. Um der Eurokrise Herr zu werden, müsse es neben der Aktivierung des europäischen Rettungsschirms ESM nun zu einer Bankenunion und einer gemeinsamen Haushaltspolitik kommen. Derweil mahnt der Fonds die US-Politik, drastische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen abzuwenden, die mit dem Beginn des neuen Jahres drohen. Mit ihnen soll dem gewaltigen Defizit der weltgrößten Volkswirtschaft begegnet werden.

IWF-Chefökonom Blanchard fordert, die Überwachung, Abwicklung und Rekapitalisierung von Banken auf der Ebene der Eurozone zu verankern. "Es ist gut, dass diese Probleme ernsthaft angegangen und diese Mechanismen allmählich ins Werk gesetzt werden." Kurzfristig müsse kriselnden Länder wie Spanien und Italien die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Banken mit frischem Geld zu versorgen, ohne dass dies sich in neuen Staatsschulden niederschlägt.

Unter den großen Industrienationen stehen die USA im nächsten Jahr beim Wachstum mit einem Plus von 2,1 Prozent laut IWF immerhin noch am besten da. Für die Schwellen- und Entwicklungsländer erwartet der Weltwährungsfonds 2013 ein Wachstum vom 5,6 Prozent, wobei China mit 8,2 Prozent weiterhin vorne liegt. China habe den Rückgang seines Wachstums zu einer "sanften Landung" gesteuert, hieß es auf der Pressekonferenz. Zweistellige Wachstumsraten seien auch für Peking vorerst nicht mehr zu erreichen. (rtr)