Düsseldorf. . In der Diskussion um die Doktorarbeit von Bundesbildungsministerin Annette Schavan gerät auch die Universität Düsseldorf in die Kritik, weil das in Auftrag gegebene Gutachten an die Öffentlichkeit gelangt ist. Schavan beschwerte sich massiv bei der Leitung der Uni.
Eigentlich steht eine Vorlesung zu „Rhetorik und Sprachstilen der Comedians“ auf dem Plan. Doch die Studenten werden von einer Sicherheitsfirma abgewiesen. Die Leitung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf braucht den großen Hörsaal, um Dutzende Berichterstatter unterzubringen. Es geht um den Arbeitsstil der Bundesbildungsministerin. Nebenan hat der Promotionsausschuss seit fast drei Stunden über der Doktorarbeit von Annette Schavan (CDU) gesessen. Es darf nicht alles noch schlimmer werden – für die Ministerin und für die Uni.
Seit vergangenem Freitag um zehn Uhr morgens ist für die Düsseldorfer Hochschule an normalen akademischen Betrieb nicht mehr zu denken. Da hatte Uni-Rektor Michael Piper eine empörte Bildungsministerin am Telefon. Vorab war bekannt geworden, dass der Vorsitzende des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultät, Stefan Rohrbacher, in einer 75-seitigen, höchstvertraulichen Analyse zur Einschätzung gekommen war, dass Schavan 1980 beim Verfassen ihrer Doktorarbeit „Person und Gewissen“ eine „leitende Täuschungsabsicht“ getrieben habe.
Der Rektor versucht den Bericht herunter zu reden
Rektor Piper müht sich am Mittwochabend nach Kräften, Rohrbachers „außerordentlich sorgfältigen Sachstandsbericht“ zur reinen Diskussionsgrundlage für den siebenköpfigen Promotionsausschuss herunter zu reden. Es gehe nur um eine erste Faktensammlung für den Fakultätsrat, der allein und „völlig frei“ später über eine Aberkennung des Doktortitels befinden könne. Möglicherweise würden weitere externe Gutachten herangezogen. Piper entschuldigt sich bei Schavan für den „Vertrauensbruch“, der strafrechtlich verfolgt werde. Dennoch: Es gebe weiterhin „kein besonderes Verfahren, nur weil es sich um eine besondere Persönlichkeit handelt“.
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Kein besonderes Verfahren? Der bekannte Düsseldorfer Politik-Wissenschaftler Ulrich von Alemann wandert nachdenklich durch den Gebäudetrakt 23.21, einen typischen Hochschulklotz aus den 1960er Jahren, viel Beton, nackter Backstein-Boden, kaltes Leuchtstoff-Röhrenlicht. Seit einigen Wochen ist er im Ruhestand, nach 40 Uni-Jahren. Alemann war selbst Dekan und zuletzt Stellvertreter des Rektors Piper. Der Fall Schavan „ist uns höchst unangenehm und peinlich“, beteuert er. Aber die Bildungsministerin habe die Uni Düsseldorf ja selbst um die Prüfung ihrer Doktorarbeit gebeten, nachdem Anfang des Jahres Täuschungsvorwürfe gegen sie durchs Internet geisterten.
Regulär tagt der Fakultätsrat wieder am 6. November. Ob man im akademischen Elfenbeinturm in aller Ruhe die üblichen Verfahrensschritte abarbeiten kann, erscheint angesichts des gewaltigen politischen und medialen Drucks zweifelhaft. Schavan hat Anwälte eingeschaltet, die der Uni weitere Kommentare zu Wasserständen in ihrem Fall untersagt haben. Wilde Verschwörungstheorien machen bereits die Runde: Hatte nicht der Promotionsausschuss-Vorsitzende Rohrbacher in den 1980er Jahren in Neuss geforscht, als Schavan dort noch kommunalpolitisch aktiv war? Gibt es eine Befangenheit? Sollte eine gezielte Indiskretion die Bildungsministerin unmöglich machen?
Es geht plötzlich nicht mehr nur um den Ruf von Annette Schavan.