Düsseldorf. . Der Fall Schavan könnte am Ende der Uni Düsseldorf mehr schaden als der Bildungsministerin, die in der Wissenschaft hoch angesehen ist. Bevor sich der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät mit der Frage beschäftigt, ob Annette Schavan sauber gearbeitet hat, sollte er sich erst einmal bei ihr entschuldigen.

Im Fall der Bundesbildungsministerin Schavan hat sich die Universität Düsseldorf in eine selten dämliche Lage manövriert. Es mag sogar sein, dass am Ende dieser seltsamen Affäre um eine vor 32 Jahren fertig gestellte Doktorarbeit in Erziehungswissenschaften der Schaden für die Bildungseinrichtung größer ist als für die Bildungsministerin.

Heute tagt nun der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät. Bevor er sich mit der Frage beschäftigt, ob Annette Schavan sauber gearbeitet hat, sollte er sich erst einmal bei ihr entschuldigen. Und danach seine Arbeit gleich ganz einstellen. Denn dieser Ausschuss ist, nachdem das Gutachten eines einzelnen Professors beim Nachrichtenmagazin „Spiegel“ landete, in jedem Fall befangen. Wie sollte ein Gremium ein Urteil fällen über das wissenschaftliche Verhalten eines Doktorinhabers, wenn es selbst wissenschaftliche Spielregeln verletzt hat?

Gutachten im Fall Schavan scheint angreifbar

Dazu gehört nicht nur die Indiskretion eines von 15 Professoren, die das Gutachten per E-Mail bekamen. Dieser Mensch hat seiner Uni schwer geschadet. Er gehört gefeuert. Weshalb hat die Uni eigentlich erst nach drei Tagen Strafanzeige wegen Vertrauensbruchs gegen Unbekannt gestellt?

Auch das Gutachten selbst, verfasst von dem Judaistik-Professor Rohrbacher, scheint durchaus angreifbar zu sein. Hat Rohrbacher, darin den anonymen Plagiatsjägern in deren Methode folgend, nur einzelne Textstellen bewertet? Hat er auch untersucht, welche Auswirkung der festgestellte lasche Umgang mit Zitierregeln auf den Charakter der Promotion hatte, auf den Wert der Eigenleistung, die nun einmal der Kern einer Doktorarbeit ist? Hier geht es um den Kern wissenschaftlichen Arbeitens an einer Philosophischen Fakultät.

Zitate für Doktorabeit im Zettelkasten

Schavans Doktorvater Gerhard Wehle verteidigt jedenfalls sein Urteil von damals, die Arbeit mit „gut“ zu bewerten. Die Arbeit habe „damals“ dem wissenschaftlichen Standard entsprochen, sagte er der Rheinischen Post.

Heutigen Studierenden, die sich freimütig im Fernsehen zu bester Sendezeit über Schavans Regelbruch beschweren, sollte man vielleicht doch noch mal erklären, dass man vor 32 Jahren Freud und Marx und Co. tatsächlich noch nicht googeln konnte. Schavan sammelte, wie die meisten damals, ihre Zitate in einem Zettelkasten. Hätte sie seinerzeit alle Zitate, die sie benutzte, erst im Original lesen müssen, wäre das wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen, es sei denn, sie hätte sich für ihre Arbeit weitere 32 Jahre Zeit genommen. Vielleicht wäre aber auch das eine oder andere Werk in der Uni-Bibliothek gar nicht erhältlich gewesen.

Es kann noch Monate dauern

Wie es nun weiter geht? Wie zu hören ist, wurden alle Mitglieder des Promotionsausschusses schon vor Wochen vergattert, bloß ja nichts an die Presse herauszulassen. Das hat augenscheinlich nichts gefruchtet. Mit Schavan wurde wohl das Verfahren detailliert besprochen. Sie wird gehört werden. Nach der Indiskretion hat man ihr per Boten schon einmal schnell ein Exemplar des Gutachten-Entwurfs geschickt. Sie dürfte ein Gegengutachten machen lassen. Dann dürfte die Universität ein drittes Gutachten einholen. Am Ende jedenfalls ist der Fakultätsrat frei, der Promotionsausschuss hat kein imperatives Mandat, kann also nur raten, nicht entscheiden.

Mit anderen Worten: Das alles kann noch Monate dauern. Ob Annette Schavan das politisch überlebt, steht auf einem anderen Blatt. Es wird auch nach anderen Spielregeln entschieden als im viel langsameren, manchmal naiv agierenden Wissenschaftsbetrieb. Jedenfalls sollte niemand Schavan unterschätzen. Wäre diese Frau keine Kämpferin, hätte die Kanzlerin sie wohl kaum als ihre engste Verbündete ausgesucht.