Berlin. . In der Affäre um Plagiatsvorwürfe bei ihrer Doktorarbeit gerät Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) immer stärker unter Druck. Ein Gutachter erklärte jetzt laut einem Medienbericht, etliche Stellen der Dissertation trügen das „charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“.
Annette Schavan reagierte mit größter Empörung: Die Unterstellung einer Täuschungsabsicht bei ihrer Doktorarbeit weise sie „entschieden zurück“, erklärte die Bundesbildungsministerin. „Es trifft mich, es trifft mich im Kern“, klagte die CDU-Politikerin. Sie habe bei ihrer Dissertation, eingereicht vor 32 Jahren bei der Uni Düsseldorf, sorgfältig gearbeitet.
Doch daran gibt es jetzt gravierende, für Schavan höchst gefährliche Zweifel.
Ein von der Uni Düsseldorf in Auftrag gegebenes Gutachten erhärtet den seit fünf Monaten bestehenden Verdacht, Schavan habe bei ihrer Doktorarbeit im Fach Erziehungswissenschaften mehr als nur unsauber gearbeitet: Es ergebe sich „das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“, schreibt der Gutachter Stefan Rohrbacher in der vertraulichen Expertise, aus der der „Spiegel“ jetzt zitiert. Diese Arbeitsweise sei sogar „ein das Profil der Dissertationsschrift wesentlich mitprägendes Element.“
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„Leitende Täuschungsabsicht“
Und: „Eine leitende Täuschungsabsicht ist nicht nur angesichts der allgemeinen Muster des Gesamtbildes, sondern auch aufgrund der spezifischen Merkmale einer signifikanten Mehrzahl von Befundstellen zu konstatieren.“ Auf 60 der 351 Seiten der Dissertation „Person und Gewissen“ hat Schavan demnach Quellen nicht oder nur unzureichend benannt, mitunter auch in „Collage-Technik“ Textbausteine ohne Verweis auf den Autor übernommen. Es sind brisante Plagiatsvorwürfe, die Schavan nicht nur den „Dr. phil“, sondern auch das Ministeramt kosten könnten.
Die 57-Jährige wurde von dem Gutachten offenkundig überrascht, aber neu ist der Vorwurf nicht: Bereits im Mai hatte ein anonymer Blogger auf der Internetseite „Schavanplag“ Täuschungsvorwürfe erhoben – vor wenigen Tagen erneuerte der Blogger mit dem Pseudonym „Robert Schmidt“ seine Attacke und sprach von in etlichen Fällen nicht entschuldbaren Verstößen. Er will auf 92 Seiten Stellen gefunden haben, bei denen Schavan nicht oder nicht ausreichend Quellen kenntlich machte.
Schwierige Entscheidung
Der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf hatte nach den ersten Vorwürfen eine Prüfung eingeleitet und Rohrbacher, Professor für Jüdische Studien, mit dem Gutachten beauftragt. Dessen Expertise ist nicht das letzte Wort, aber sie hat Gewicht: Am Mittwoch berät der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät, den Rohrbacher leitet, über das weitere Vorgehen.
Ob Schavan ihren Titel verliert, entscheidet am Ende der Fakultätsrat. Die Entscheidung dürfte nicht ganz einfach sein, die Ministerin hatte in der Plagiatsaffäre bisher viel Unterstützung: Schon Mitstreiter des anonymen Bloggers hatten von einem Grenzfall gesprochen und sich dagegen ausgesprochen, Schavan wegen Plagiats anzuprangern. Auch Erziehungswissenschaftler der Uni Berlin hatten erklärt, es gehe um Zitierfehler, aber nicht um Plagiate.
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Opposition macht schon Druck
Doch mit dem neuen Gutachten ist diese Verteidigung Schavans geschwächt. Die Ministerin selbst hat sich bisher nur vage geäußert – erst störte sie die Anonymität des Bloggers, dann verwies sie auf die laufende Prüfung der Universität. Bislang konnte sich Schavan der Rückendeckung der Kanzlerin sicher sein: Sie ist seit langem eine enge Vertraute, Merkel gibt viel auf ihren Rat und wird Schavan nur fallen lassen, wenn es nicht anders geht.
Doch die Opposition macht Druck. Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), fordert zwar für Schavan eine „faire Chance“, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Aber: „Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, muss sie zurücktreten.“