Berlin. . SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat aus Rücksicht auf seine nierenkranke Ehefrau auf die Kanzlerkandidatur verzichtet. „Die letzten zwei Jahre seit der Transplantation haben gezeigt: Es gibt ein paar Tage mehr im Jahr, an denen ich an der Familienfront gefordert bin.“
Er galt als Favorit für die SPD-Kanzlerkandidatur, sein überstürzt verkündeter Rückzieher warf die Pläne der Parteispitze über den Haufen. Jetzt wirbt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier um Verständnis für seine Entscheidung: Er habe aus Rücksicht auf seine Frau auf die Kandidatur verzichtet, ihr wollte er den Wahlkampfstress ersparen.
Im Interview mit „Bild am Sonntag“ verwies Steinmeier auf die schwere Operation 2010, bei der er seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere gespendet hatte. Beide seien „durch einen langen Tunnel gegangen“. Obwohl es nach der Transplantation jetzt meist gut gehe, gebe es „ein paar Tage mehr im Jahr, an denen ich an der Familienfront gefordert bin“, sagt der 56-Jährige. Die Freiheit dazu habe er sich bewahren wollen, „deshalb war der Verzicht auf die Kandidatur die notwendige Konsequenz.“
Entscheidung fiel in Südtirol
Steinmeier hatte sich offenbar schon länger mit dem Gedanken getragen, die letzte Entscheidung fiel beim Südtirol-Urlaub mit seiner Frau im August – danach versuchten Spitzengenossen vergeblich, ihn noch umzustimmen. Mit dem Verweis auf seine Familie versucht Steinmeier offenbar auch, Spekulationen über andere Motive zu zerstreuen: In Parteikreisen hält sich die Darstellung, Steinmeier sei verärgert über Parteichef Sigmar Gabriel und seine unabgestimmten Vorstöße, die er als Risiko für eine Kandidatur empfunden hätte.
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Das Vertrauensverhältnis zwischen Fraktions- und Parteichef hat gelitten. Nun herrscht aber auch Verärgerung in der Parteispitze über die Art, wie Steinmeier seinen Rückzug öffentlich machte. Entgegen der Absprache, die Entscheidung über die K-Frage erst im November bekanntzugeben, hatte der Fraktionschef in einem Hintergrundgespräch vor gut zwei Wochen überraschend klargemacht, dass er nicht zur Verfügung steht. Steinmeier war das öffentliche Kandidaten-Schauspiel leid, durchkreuzte so aber brachial die Zeitpläne: Steinbrück musste ziemlich unvorbereitet aus der Deckung kommen. Steinbrücks Start sei „etwas rumpelig gelaufen“, räumte Generalsekretärin Andreas Nahles gestern ein, versicherte aber, weder Gabriel noch sie würden Steinmeier etwas nachtragen: „Unterm Strich ist es gut gelaufen“.
Doch die Bürde der Kandidaten-Sturzgeburt trägt Steinbrück: Schon die Art, wie er anfangs auf die Nebenverdienst-Debatte reagierte, zeigte die schlechte Vorbereitung. Jetzt muss sich der Ex-Minister erst mal in aller Eile einen Stab zusammenstellen. Er hat zwar ein Büro in der Parteizentrale und einen Dienstwagen, aber nicht mal einen Pressesprecher. Steinbrücks Wahlkampagne wird von Generalsekretärin Nahles in der Parteizentrale organisiert, das Verhältnis der beiden gilt als schwierig. Steinbrück wird einige Leute seines Vertrauens mitbringen, „damit die Kampagne wirklich aus einem Guss ist“, wie Nahles sagt.
Rededuell Steinbrück-Merkel
Erstmal soll sich Steinbrück jetzt aber auf einer Tour durch die Landesverbände der Parteibasis vorstellen, damit die offizielle Nominierung bei einem Sonderparteitag am 9.Dezember reibungslos verläuft – trotz der Vorbehalte in der Parteilinken. Steinmeier versichert schon: „Ich werde mich voll reinhängen für die SPD, damit Peer Steinbrück Kanzler wird.“
Wird dieses Ziel verfehlt, hätte Steinmeier immer noch eine Chance, falls es zur Großen Koalition kommt. Steinbrück hat klargestellt, dass er nicht wieder Minister unter Kanzlerin Merkel wird. Steinmeier könnte dann erneut als Vizekanzler amtieren – wenn er das mit der Familie vereinbaren kann. Am Dienstag wird er beim Arbeitgebertag in Berlin gleich nach Merkel reden. Zwei Tage danach im Bundestag liefert sich Kanzlerkandidat Steinbrück sein erstes Rededuell mit der Kanzlerin.