Leipzig. Thomas Jurk hängt am Regieren. Der SPD-Spitzenmann will auf gar keinen Fall in die Opposition. Doch das kann passieren, wenn die CDU die Große Koalition aufkündigt und sich für ihren Wunschpartner FDP entscheidet.
Thomas Jurk gilt als bodenständiger Mann und Realist. Das liegt wohl an seinem Leben vor dem Einstieg in die Politik. Bis zum Jahr 1990 war Jurk Funkmechaniker, reparierte Radios und Fernseher. Nach der Wende machte er politische Karriere bei der SPD, für die er nun seit fünf Jahren als Wirtschaftsminister in der sächsischen Landesregierung sitzt. Er kämpft dafür, dass dies auch nach der Landtagswahl in gut anderthalb Wochen so bleibt. Doch der SPD und damit auch Jurk droht die Rückkehr auf die harte Oppositionsbank.
Dass die SPD 2004 mit der CDU eine Koalition einging, war weniger der gegenseitigen Sympathie geschuldet als der Not. Denn für ein schwarz-gelbes Bündnis reichte es damals nicht. Die SPD stieg damit trotz ihres blamablen Abschneidens bei der Landtagswahl, als sie mit 9,8 Prozent das schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokraten bei einer Landtagswahl einfuhr, in die Regierungsverantwortung auf. Und mit ihr Jurk, der für seine Partei zwei Ministerposten aushandelte - im Wissenschaftsressort und im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, das Jurk selbst übernahm. Der Mann mit der Halbglatze und dem markanten Kinn ist zugleich Stellvertreter von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).
Wie sein Kontrahent Tillich stammt Jurk aus der Lausitz. Der 47-Jährige wurde 1962 in Görlitz geboren. Nach seiner Armeezeit arbeitete er im Transformatorenwerk in Weißwasser. Mit der politischen Wende startete der Nicht-Akademiker auch seine politische Karriere. Im Dezember 1989 trat der bislang Parteilose der SDP bei, wie die Sozialdemokratische Partei in der DDR zunächst hieß, und zog 1990 für die SPD in den sächsischen Landtag ein.
Landesvorsitzender seit 2004
In der Fraktion profilierte sich Jurk als agrarpolitischer und finanzpolitischer Sprecher. Nach einem ersten Wahldebakel der SPD im September 1999 und dem Rücktritt des damaligen Fraktions- und Landeschefs Karl-Heinz Kunckel schlug Jurks Stunde: Er übernahm den Fraktionsvorsitz. 2004 wurde er Landesvorsitzender.
Seit er Wirtschaftsminister ist, hat der passionierte Akkordeonspieler und Ehrenvorsitzende des Fußballklubs SV Grünweiß Weißwasser noch weniger Freizeit. Die verbringt der Vater zweier erwachsener Kinder, der sich selbst als «geerdet» bezeichnet, am liebsten auf dem alten Familienhof in Weißkeißel.
Möglicherweise hat Jurk künftig wieder etwas mehr Zeit für seine Hobbys. Die CDU will das Zweckbündnis mit der SPD auflösen und wünscht sich die FDP an ihre Seite. Jurk kämpft, er will weitermachen. «Wir waren der Taktgeber in der Koalition», sagt der Wirtschaftsminister, für den die Insolvenz des Speicherchip-Herstellers Qimonda mit rund 3000 Beschäftigten am Standort Dresden besonders schmerzlich war.
Auf Kritik stieß Jurk in den eigenen Reihen, als er Ministerpräsident Tillich in der Debatte um dessen DDR-Vergangenheit öffentlich zur Seite sprang. Er sei kein heimlicher Verfechter von CDU-Positionen, erklärte Jurk später. Aber im Gegensatz zu anderen sei er der Meinung, «dass man nach fünf Jahren Zusammenarbeit in der Koalition den Partner nicht nur attackieren sollte».
Für die Sozialdemokraten haben sich die fünf Jahre Regierung in jedem Fall gelohnt. Es war das erste Mal, dass die bis 2004 allein regierende CDU mit einem Koalitionspartner zusammenarbeiten musste. Nach den langen Jahren des Schattendaseins konnten die Sozialdemokraten endlich Mitgestalten. (afp)