Washington. Zuerst hatten syrische Granaten fünf Zivilisten in einem türkischen Grenzort getötet. Dann starben bei einem Vergeltungsschlag der Türkei syrische Soldaten. Die Türkei setzt ihre Angriffe fort, will diese aber nur als Warnung sehen, nicht als Kriegserklärung. Westerwelle warnt vor einem Flächenbrand in der Region.

Das türkische Militär hat am Donnerstagmorgen seine Angriffe auf einen syrischen Militärstützpunkt nahe der Grenze fortgesetzt. Ziel sei die Region um die Stadt Tel Abjad gewesen, die rund zehn Kilometer von der gemeinsamen Grenze entfernt liegt, hieß es in türkischen Sicherheitskreisen. Die Türkei hat nach Angaben aus Regierungskreisen aber nicht die Absicht, Syrien den Krieg zu erklären. Der Beschuss syrischer Ziele sei als Warnung an das Regime von Präsident Baschar Assad zu sehen, sagte ein Berater von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Die türkische Luftwaffe hatte bereits in der Nacht zu Donnerstag die Militärbasis angegriffen und Vergeltung für einen Granatenangriff aus Syrien geübt. Dabei starben nach Angaben von Menschenrechtlern mehrere Soldaten. Die genaue Zahl der Todesopfer wurde nicht bekannt. Die Granaten auf die Türkei seien von Tel Abjad aus abgefeuert worden, hieß es in den Sicherheitskreisen.

Am Mittwoch waren im türkischen Grenzort Akcakale syrische Granaten eingeschlagen und hatten fünf Zivilisten getötet sowie zehn weitere Menschen verletzt.

Mehrheit der türkischen Abgeordneten für militärische Intervention

Das türkische Parlament hat der Regierung und der Armee am Donnerstag grünes Licht für eine militärische Intervention im Nachbarstaat Syrien gegeben. In nicht-öffentlicher Sitzung stimmten 286 Abgeordnete für das auf ein Jahr befristete Mandat für Auslandseinsätze, 92 dagegen, wie der Nachrichtensender CNN-Türk meldete. Laut einer Meldung des türkischen Senders NTV erhielt die Vorlage 320 Ja-Stimmen. Der Entwurf erlaubt der Regierung, mit Bodentruppen und Kampfflugzeugen gegen syrische Ziele vorzugehen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Genehmigung sei für ein Jahr erteilt worden und Angriffe könnten jederzeit durchgeführt werden, wenn es die Regierung für notwendig erachte.

Oppositionspolitiker hatten vor der Abstimmung kritisiert, die Vollmacht an Regierung und Armee sei zu weitgehend. Die Regierung hatte die Vorlage für das Mandat im Schnellverfahren ins Parlament eingebracht, nachdem am Mittwoch fünf Zivilisten bei syrischem Artilleriebeschuss auf die türkische Grenzstadt Akcakale ums Leben kamen. Die türkische Verfassung erlaubt Militäreinsätze im Ausland nur mit parlamentarischer Billigung.

Syrien spricht von "tragischem Versehen"

Russland hat Syrien aufgefordert, den Beschuss türkischen Territoriums vom Mittwoch als Versehen zu erklären, das sich nicht wiederholen werde. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitierte Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag, der russische Botschafter habe mit der syrischen Regierung über den Vorfall gesprochen. Dabei habe die syrische Seite erläutert, dass es sich um ein "tragisches Versehen" gehandelt habe und zugesichert, dass so etwas nicht noch einmal passiere. "Wir denken, dass es von fundamentaler Bedeutung für Damaskus ist, dies offiziell zu erklären", sagte Lawrow.

Bislang kein Nato-Einsatz geplant

Die USA rechnen nach dem gewaltsamen Zwischenfall an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei nicht mit einem Einsatz der Nato. Angesichts des geringen Ausmaßes des Beschusses zwischen den beiden Staaten wäre die Ausrufung des Bündnisfalls nicht angemessen, hieß es am Mittwochabend (Ortszeit) aus US-Regierungskreisen. Sollte die Gewalt aber eskalieren, dann könnte die Einschätzung in Zukunft allerdings auch anders ausfallen.

Die Nato hat aber ein sofortiges Ende der Angriffe auf ihren Bündnis-Partner Türkei gefordert. Syrien müsse die schamlose Verletzung von internationalem Recht beenden, hieß es in einer Erklärung des Bündnisses am Mittwochabend nach einem Dringlichkeitstreffen in Brüssel. Der Beschuss sei Anlass zu größter Sorge und werde schärfstens verurteilt.

Nach dem Vorfall hatte die Militärallianz von einer "flagranten Verletzung internationalen Rechts" gesprochen. Die Situation werde genauestens beobachtet, hieß es in Brüssel. Der Bündnisfall nach Artikel fünf des Nato-Vertrages wurde nicht ausgerufen, aber nach Artikel vier wurden weitere Konsultationen vereinbart.

Auch EU-Außenbeauftragte verurteilt Beschuss 

Die Türkei hat zudem den UN-Sicherheitsrat angerufen. In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und den Sicherheitsratsvorsitzenden, Guatemalas Botschafter Gert Rosenthal, wertete der türkische UN-Botschafter Ertugrul Apakan den Zwischenfall am Mittwoch (Ortszeit) als "aggressiven Akt Syriens gegen die Türkei".

Der UN-Sicherheitsrat hatte sich am Mittwoch zunächst nicht auf eine Erklärung einigen können, die den syrischen Beschuss "auf das Schärfste" verurteilt. In letzter Minute verlangte das Syrien-treue Russland nach Diplomatenangaben eine Verschiebung der Abstimmung auf Donnerstag.

Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat den Beschuss türkischen Gebiets durch syrische Granaten "scharf verurteilt" und Syrien vor einer Verletzung der türkischen Souveränität gewarnt. "Ich fordere die syrische Regierung auf, die Gewalt unverzüglich einzustellen und die territoriale Unversehrtheit und die Souveränität aller Nachbarländer uneingeschränkt zu respektieren", erklärte Ashton am Donnerstag in Brüssel. "Solche Verletzungen der türkischen Souveränität können nicht hingenommen werden."

Syrien spricht Familien der Opfer Beileid aus

Die türkischen Behörden hatten bereits vor dem Zwischenfall die Bewohner des Gebiets aufgefordert, sich von der syrischen Grenze fernzuhalten. Mehr als hundert türkische Schulen sind wegen der Kämpfe in der Region seit zwei Wochen geschlossen.

Die Regierung in Damaskus den Familien der fünf türkischen Todesopfer ihr Beileid ausgedrückt. "Syrien übermittelt den Familien der Opfer und unseren Freunden, dem türkischen Volk, sein tiefes Beileid", erklärte Informationsminister Omran Soabi in der Nacht zum Donnerstag laut einem Bericht des syrischen Staatsfernsehens. Der Minister kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an.

Westerwelle mahnt zur Besonnenheit

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat den türkischen Bündnispartner und Syrien nach dem Militäreinsatz an der Grenze beider Länder zu Besonnenheit aufgerufen. Es müsse alles für eine Deeskalation getan werden, damit aus dem innersyrischen Konflikt kein Flächenbrand in der Region entstehe, sagte Westerwelle am Donnerstag in Berlin. Deutschland werde in den internationalen Gremien wie der Nato auf eine solidarische, aber auch besonnene Reaktion dringen. Zugleich versicherte der Minister: "Wir stehen an der Seite der Türkei."

Westerwelle appellierte an Russland und China, im UN-Sicherheitrat nicht länger durch Blockade die Handlungsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft zu beeinträchtigen. Alle Mitglieder des Rates müssten alles daran setzen, dass das Sicherheitsrisiko für die Region, das von dem innersyrischen Konflikt ausgehe, eingedämmt werde. Es müsse auf eine politische Lösung gesetzt werden. (dapd, afp, rtr)

Aleppo brennt

Der von der UNESCO zum Weltkulturerbe gezählte historische Basar in der syrischen Stadt Aleppo ist am vergangenem Wochenende durch einen Großbrand verwüstet worden. So ...
Der von der UNESCO zum Weltkulturerbe gezählte historische Basar in der syrischen Stadt Aleppo ist am vergangenem Wochenende durch einen Großbrand verwüstet worden. So ... © AP
... schön sah der Markt vor dem Brand in Aleppo aus. Er galt als einer der am besten erhaltenen in der gesamten Region. In dem ...
... schön sah der Markt vor dem Brand in Aleppo aus. Er galt als einer der am besten erhaltenen in der gesamten Region. In dem ... © REUTERS
... Basar - einst eine der größten Touristenattraktionen in der Stadt - wurden seit Jahrhunderten Lebensmittel, Stoffe und Gewürze verkauft.
... Basar - einst eine der größten Touristenattraktionen in der Stadt - wurden seit Jahrhunderten Lebensmittel, Stoffe und Gewürze verkauft. © REUTERS
Nicht nur der historische Markt wurde zerstört, auch andere Teile der Stadt wurden durch die ...
Nicht nur der historische Markt wurde zerstört, auch andere Teile der Stadt wurden durch die ... © REUTERS
... anhaltenden Kämpfen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen zum Teil stark verwüstet.
... anhaltenden Kämpfen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen zum Teil stark verwüstet. © REUTERS
Zerstörte Wohnblocks in der syrischen Stadt Aleppo.
Zerstörte Wohnblocks in der syrischen Stadt Aleppo. © REUTERS
Zerstörte Wohnblocks in der syrischen Stadt Aleppo.
Zerstörte Wohnblocks in der syrischen Stadt Aleppo. © REUTERS
Zerstörte Wohnblocks in der syrischen Stadt Aleppo.
Zerstörte Wohnblocks in der syrischen Stadt Aleppo. © REUTERS
Die Menschen flüchten aus der syrischen Stadt Aleppo. Dieses Mädchen wartet in einem Flüchtlingscamp, in der Nähe der türkischen Grenze, auf ihre Diabetes-Medikamente.
Die Menschen flüchten aus der syrischen Stadt Aleppo. Dieses Mädchen wartet in einem Flüchtlingscamp, in der Nähe der türkischen Grenze, auf ihre Diabetes-Medikamente. © AP
Ein Kämpfer der Free Syrian Army steht in einem Gebäude in Aleppo in Stellung.
Ein Kämpfer der Free Syrian Army steht in einem Gebäude in Aleppo in Stellung. © AP
Ein syrischer Rebell bedient ein großes Maschinengewehr, in der Nähe von Aleppo.
Ein syrischer Rebell bedient ein großes Maschinengewehr, in der Nähe von Aleppo. © AFP
Zerstörte Straßenzüge und Häuser. Die syrische Stadt Aleppo wird verwüstet.
Zerstörte Straßenzüge und Häuser. Die syrische Stadt Aleppo wird verwüstet. © REUTERS
Im Norden der syrischen Stadt Aleppo wurden Straßen und ...
Im Norden der syrischen Stadt Aleppo wurden Straßen und ... © AFP
... Häuser durch Regierungstruppen und Aufständische zerstört.
... Häuser durch Regierungstruppen und Aufständische zerstört. © AFP
Zerstörte Straßenzüge und Häuser. Die syrische Stadt Aleppo wird verwüstet.
Zerstörte Straßenzüge und Häuser. Die syrische Stadt Aleppo wird verwüstet. © AFP
Zerstörte Straßenzüge und Häuser. Die syrische Stadt Aleppo wird verwüstet.
Zerstörte Straßenzüge und Häuser. Die syrische Stadt Aleppo wird verwüstet. © AFP
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