Berlin. . Die Deutsche Kinderhilfe warnt vor einer überstürzten Legalisierung religiöser Beschneidungen bei kleinen Jungen. Der Verband appelliert an die Politik, sich zwei Jahre Zeit für eine breite gesellschaftliche Debatte über das ethisch umstrittene Thema zu nehmen.

Die Deutsche Kinderhilfe warnt vor einer überstürzten Legalisierung religiöser Beschneidungen bei kleinen Jungen. Gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Bund Katholischer Ärzte, der Humanistische Verband Deutschlands, Terre des femmes und zahlreichen Einzelpersonen appelliert der Verband an die Politik, sich zwei Jahre Zeit für eine breite gesellschaftliche Debatte über das ethisch umstrittene Thema zu nehmen. Ein Runder Tisch mit Religionsvertretern und Sachverständigen sei das richtige Gremium dafür, sagte am Mittwoch in Berlin der Vorstandsvorsitzende Georg Ehrmann.

Der Bundestag hatte die Bundesregierung im Juli per Resolution aufgefordert, zügig ein Gesetz vorzulegen, das die rituelle Beschneidung grundsätzlich straffrei stellt. Wenige Wochen zuvor hatte das Kölner Landgericht die Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Gründen als Körperverletzung bewertet, selbst wenn die Eltern einwilligen. Seither herrscht Rechtsunsicherheit unter Juden und Muslimen in Deutschland.

Kinderhilfe fordert zweijähriges Moratorium

Eine Petition für ein zweijähriges Moratorium hat die Kinderhilfe nach eigenen Angaben bereits im Juli beim Bundestag eingereicht. Bis Mittwochmittag sei das Papier jedoch noch nicht offiziell angenommen worden, bemängelte Ehrmann. Unterstützt wird die Petition unter anderem vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, dem Bund Deutscher Kriminalbeamter und der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes.

Ehrmann rügte, dass der Bundestag in einem "beispiellosen Beschluss" eine Gesetzesänderung zu dem ethisch "schwierigen Thema" angekündigt habe, ohne eine gesellschaftliche Debatte abzuwarten. Damit sei ein "politischer Grundkonsens" verletzt worden. Auch die Vertreter der Religionen seien nun in der Pflicht, eine Debatte zuzulassen.

"Radikalforderung ist keine Lösung"

Der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Ulrich Fegeler, sagte, es müsse die Frage diskutiert werden, ob die Rechte des Kindes oder der Eltern im Vordergrund stünden. Er verwies zudem auf die "ärztliche Verpflichtung, nicht zu schaden". Es gebe für religiös motivierte Beschneidungen "keinen medizinischen Auftrag".

Ehrmann sagte, die Kinderhilfe werde "uneingeschränkt für die Wahrung der Kinderrechte" eintreten. Ein explizites Verbot der Beschneidung wollte er allerdings nicht fordern. "Die Radikalforderung ist keine Lösung", sagte er. Es gehe darum, langfristig ein schwieriges Problem zu lösen. Zugleich wies der Vorstandsvorsitzende darauf hin, dass es derzeit eine "eindeutige Rechtslage" gebe, nach der die religiös motivierte Beschneidung minderjähriger Jungen eine Körperverletzung darstelle. (WE/dapd)