Berlin. . Beschneidung aus religiösen Gründen soll in Deutschland auch nach dem Willen des Bundestages nicht unter Strafe gestellt werden können. Das Parlament forderte am Donnerstag die Bundesregierung mit breiter Mehrheit auf, die rituelle Entfernung der Vorhaut bei Jungen für zulässig zu erklären.

Nach heftiger internationaler Kritik am Verbotsurteil des Kölner Landgerichts soll die rituelle Beschneidung von Jungen in Deutschland künftig straffrei gestellt werden. Der Bundestag forderte die Regierung am Donnerstag mehrheitlich zur Vorlage eines entsprechenden Gesetzes auf. Damit soll sichergestellt sein, "dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist." Das Kölner Gericht hatte vor gut zwei Monaten die Beschneidung als Körperverletzung gewertet.

Nach dem Urteil riss die Kritik vor allem von Juden und Muslimen aus aller Welt nicht mehr ab. Der deutsche Botschafter in Israel, Andreas Michaelis, übergab gar ein Schreiben an Knessetpräsident Reuven Rivlin. Darin betonte die Bundesregierung, es handele sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung ohne bindende Wirkung für andere Gerichte. Auch Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein und sprach sich gegen ein Beschneidungsverbot aus.

Das neue Gesetz soll die Verunsicherung bei Juden und Muslimen beenden, aber auch den beteiligten Ärzten Sicherheit geben. In seiner am Donnerstag verabschiedeten Resolution stellt das Parlament klar, dass mit dem neuen Gesetz die Genitalverstümmelung von Mädchen keineswegs erlaubt wird. Beides sei nicht miteinander vergleichbar.

Linke: Beschneidung ins "Schmerzlos-Symbolische" verschieben

Der Linke-Abgeordnete Jens Petermann sprach von einem "sehr eiligen Resolutionsentwurf" und kritisierte, dass das Papier erst den Medien und dann seiner Fraktion vorgelegt worden sei. Die Linke lehnte die Resolution ab und forderte, den Eingriff zunächst ins "Schmerzlos-Symbolische" zu verschieben und zu warten, bis der betroffene Junge das Alter von 14 Jahren erreicht habe und selbst entscheiden dürfe. Abgeordnete von Union, FDP, SPD und Grünen stimmten der Resolution zu, es gab aber auch einige Enthaltungen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, begrüßte das "klare und entschlossene Signal" des Bundestages. Der Zentralrat hoffe, dass das Gesetz auch tatsächlich in den nächsten Monaten vorgelegt und beschlossen werde. Die erhebliche Verunsicherung durch das Kölner Urteil könne damit glaubwürdig behoben werden, erklärte Graumann. "Für uns ist es vor allem ein starkes politisches Zeichen, dass uns zeigt: Jüdisches und muslimisches Leben ist und bleibt in Deutschland willkommen."

"Körperliche Unversehrtheit ist ein hohes Gut"

Zu den Gegnern des Beschlusses zählte der FDP-Bundestagsabgeordnete Heiner Kamp. "Die körperliche Unversehrtheit von Säuglingen und Kleinkindern ist ein hohes Gut", erklärte er. Keine Religion dürfe für sich beanspruchen, dieses wichtige Grundrecht verletzen zu dürfen. Die Entscheidung dürften weder der Bundestag noch die Bundeskanzlerin treffen. "Entscheiden muss das Bundesverfassungsgericht", erklärte Kamp.

Außenminister Guido Westerwelle erklärte vor der Abstimmung, der Beschluss zeige, dass Deutschland ein weltoffenes und tolerantes Land sei. Es wäre nicht vermittelbar, wenn jüdische Mitbürger ihrer Jungen hierzulande nicht beschneiden dürften, sagte der FDP-Politiker. (dapd)

Die Resolution im Wortlaut