Berlin. . Die Mehrheit der Mitglieder im Deutschen Ethikrat hat sich am Donnerstag für eine Erlaubnis religiöser Beschneidungen ausgesprochen. Doch die traditionelle Praxis von Juden und Muslimen könnte neue Regeln erhalten. Professor Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Uni-Klinikums Essen und Mitglied des Ethikrates, plädierte gegenüber der WAZ für eine Schmerzbehhandlung der Jungen und eine Beratungspflicht der Eltern.

Seit Wochen tobt ein Streit um die Beschneidung jüdischer und muslimischer Jungen. Ausgelöst wurde er durch das Urteil eines Kölner Richters, der Beschneidungen als Körperverletzung gewertet hatte – eigentlich eine Einzelfallentscheidung.

Am Donnerstag befasste sich nun in Berlin das höchste nationale Gremium für moralische Fragen mit dem Problem: der Deutsche Ethikrat. Die Mehrheit der Mitglieder sprach sich in ihren Stellungnahmen für die Zulässigkeit der religiösen Beschneidung aus.

Gegen die Beschneidung

Der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel lehnte indes die Praxis mit klaren Worten ab. Er nannte es „bizarr“, wenn Religionsgemeinschaften darüber bestimmen könnten, wann und wie sie einen Körper verletzen dürfen. Der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock warb hingegen dafür, mehr Verständnis für die Religiosität von Juden und Muslimen aufzubringen. Ähnlich äußerte sich der ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber.

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Das geplante Gesetz zur Erlaubnis religiöser Beschneidungen sollte medizinische Mindestanforderungen festschreiben, regten mehrere Redner an. So sollten nur geschulte Beschneider oder Ärzte zugelassen werden, die Prozedur müsse schmerzfrei verlaufen, eine ausführliche Aufklärung der Eltern über mögliche Risiken sollte Pflicht werden. Vor wenigen Tagen hatte Oberrabbiner Metzger in Berlin noch darauf bestanden, dass die Beschneidung nach altem Ritus verlaufen müsse, also acht Tage nach der Geburt und ohne Betäubung. Lediglich ein „Tropfen süßer Wein“ sei erlaubt.

Juristisch vertrackt

Dem Gesetzgeber muss mit der angestrebten Regelung der Beschneidung eine juristische Gratwanderung gelingen. Das Gesetz soll in dem Spannungsfeld zwischen dem Recht des Kindes auf Unversehrtheit, der in der Verfassung verbrieften Religionsfreiheit und dem Sorgerecht der Eltern vermitteln.

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Prof. Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Uni-Klinikums Essen und Mitglied des Ethikrates, sieht zwar in einer Beschneidung einen „körperlichen Eingriff an einem gesunden Jungen“, doch betont er die „hohen Werte von Traditionen, Religionen und Brauchtum“ für unser Gemeinwesen. „Wir sollten der religiösen Vielfalt in unserer Gesellschaft mit Anerkennung und Respekt begegnen“, sagte Nagel der WAZ – und skizziert damit eine mögliche Kompromisslinie.

Auch Nagel plädiert dabei für eine Beratungspflicht der Eltern und hohe medizinische Ansprüche: „Man sollte alles tun, die gesundheitlichen Risiken zu mindern. Dazu gehört auch eine Schmerzbehandlung.“