Washington/Tripolis. . Nach der Attacke auf das US-Konsulat im ostlibyschen Bengasi schickt das US-Militär eine Anti-Terror-Einheit der Marineinfanteristen in das nordafrikanische Land. Bei gewaltsamen Protesten gegen einen als islamfeindlich angesehenen Film waren der US-Botschafter und drei Mitarbeiter getötet worden.
Als im Oktober 2011 in Tripolis die Feier zum Sieg über das Gaddafi-Regime begann, war John Christopher Stevens ein Ehrenplatz sicher. Der 52-Jährige war zwischen 2007 und 2011 bereits zweimal in führenden diplomatischen Rollen in Libyen aktiv, bevor er vor fünf Monaten US-Botschafter wurde. Seine Mission sollte von kurzer Dauer sein. Wie US-Präsident Barack Obama bestätigte, ist Stevens bei den gewalttätigen Anschlägen aufgebrachter Muslime auf das US-Konsulat in Bengasi ums Leben gekommen – gemeinsam mit drei weiteren Botschaftsangestellten.
Nach einem Bericht der „Washington Post“ ist Stevens’ Auto nach dem Verlassen des von wütenden Demonstranten mit Brandsätzen beworfenen Konsulats in Bengasi von einem Raketenwerfer getroffen worden. Andere Quellen berichteten, der Botschafter sei an den Folgen einer Rauchvergiftung gestorben.
Mit Granaten beschossen
Libyens Vize-Premierminister Mustafa Abushagur verurteilte die Anschläge des gewalttätigen Mobs vehement. Die Unruhen entzündeten sich an einem verunglimpfenden Anti-Mohammed-Video eines US-Immobilienmaklers. Die Angreifer hatten das Konsulat nach Angaben von Augenzeugen mit automatischen Waffen und Granaten beschossen. Ein Großteil des US-Konsulats brannte nieder.
Auch in Kairo gab es Proteste. Dort stürmten Demonstranten auf das amerikanische Botschaftsgelände, rissen die US-Flagge herunter und hissten eine schwarze Fahne mit einem islamischen Glaubensbekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.“
US-Prediger aus Florida
Die Unruhen und der Tod des Botschafters stellen den schlimmsten Gewaltausbruch gegen die USA in der islamischen Welt nach den blutigen Auseinandersetzungen um die von einem US-Prediger aus Florida initiierten Koran-Verbrennungen vor zwei Jahren dar. Dabei starben sieben Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Afghanistan. Pastor Terry Jones, Sprecher einer obskuren christlich-fundamentalistischen Sekte aus Florida, hatte auch diesmal wieder seine Hände mit im Spiel.
Der fanatische Islam-Hasser, der von 1982 bis 2008 eine christliche Gemeinde in Köln führte, warb am Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 für einen auf dem Internet-Kanal YouTube eingestellten Film des kalifornischen Immobilienunternehmers Sam Bacile. Darin wird der Prophet Mohammed als Dummkopf, sexsüchtiger Frauenheld, Kindervergewaltiger, Homosexueller und Mörder dargestellt.
Weitere Ausschreitungen befürchtet
Die Schärfe der Darstellungen übersteigt die Stilisierungen Mohammeds in den Karikaturen eines dänischen Zeitungszeichners, die 2005 für weltweite Tumulte und Verwerfungen gesorgt hatten, deutlich. Islam-Experten rechnen darum in den nächsten Tagen mit weiteren Ausschreitungen in der islamischen Welt.
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Sam Bacile (52), inzwischen untergetaucht, sagte dem „Wall Street Journal“, dass er für den insgesamt zwei Stunden langen Film mit dem Titel „Innocence of Muslims“ („Die Unschuld der Muslime“) als Autor, Produzent und Regisseur verantwortlich zeichnet. Ziel sei es gewesen, den Islam als eine Religion zu zeigen, die Hass schürt. „Islam ist wie ein Krebsgeschwür“, zitiert die Zeitung den Immobilienmakler.
Israel distanziert sich
Das Budget für den Streifen, der in Amerika unter die dort großzügig ausgelegte Meinungsfreiheit fällt, beträgt knapp fünf Millionen Dollar. Bacile will die Summe durch Spenden von rund einhundert jüdischen Bürgern aufgebracht haben. Er selbst besitzt die amerikanische und die israelische Staatsbürgerschaft. Die israelische Regierung distanzierte sich gestern von dem Film.