Groningen. . Am kommenden Mittwoch wählt unser Nachbarland ein neues Parlament. Lange sah es so aus, als könnte der Linkspopulist Emile Roemer die Wahl gewinnen, doch nun dreht sich der Wind.

Emile Roemer kommt zu Fuß. Und natürlich von links. Während die sieben anderen Spitzenkandidaten der im niederländischen Parlament vertretenen Parteien mit Limousinen vor dem Hauptportal der Universität in der Altstadt vorfahren, wählt der Sozialist strahlend und Hände schüttelnd den Weg durch die Menschenmenge.

In der holzvertäfelten Aula der 1614 gegründeten Hochschule will der Sozialist in der TV-Runde „Debat van het Noorden“ Punkte sammeln, um am kommenden Mittwoch Ministerpräsident der Niederlande zu werden. Der Euroskeptiker von Linksaußen und erklärte Gegner von Angela Merkels Sparpolitik muss sich anstrengen: Bis vor wenigen Tagen lag er noch in der Wählergunst vorn, doch nach den neuesten Umfragen dreht sich gerade der Wind.

Nun ein Linksruck?

Dass die Niederländer am 12. September schon zwei Jahre nach der Wahl 2010 erneut an die Urnen gerufen werden, liegt an einem Mann, der den rechten Rand des Parlaments in Den Haag besetzt: Geert Wilders. Der Chef der rechtspopulistischen Partei der Freiheit (PVV) kündigte im April die Unterstützung für die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Mark Rutte (VVD). Der Rechtsliberale ist ein Verbündeter der deutschen Kanzlerin im Kampf gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa und für einen Fiskalpakt.

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So kometenhaft, wie der Rechtspopulist Wilders damals mit dem Thema Islamhass als drittstärkste Kraft aus dem Nichts ins niederländische Parlament einzog, so plötzlich sind Emile Roemer und seine Socialistische Partij (SP) nun die Hoffnungsträger für viele Niederländer. Folgt auf den Rechtsruck nun also ein Linksruck?

Die Wähler pendeln

Für Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlandestudien an der Uni Münster, ist die Wankelmütigkeit seiner Landsleute nicht ungewöhnlich: „Seit 1994 pendeln die Wähler zwischen den Parteien hin und her. Das liegt auch daran, dass die Kandidaten immer mehr eine größere Rolle spielen als die Inhalte“.

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Was die Menschen jedoch eine, sei der Wunsch nach einem unverbrauchten Politiker. Geert Wilders war so ein Typ, dem die Wähler zu Beginn der Euro-Krise 2010 abgenommen haben, dass er sich für ihre Belange einsetzt. Doch der Effekt seiner auf Islamhass setzenden Politik ist verbraucht. Dass er die Regierung zum Platzen gebracht und sich so aus der Verantwortung gezogen hat, kostete ihn wohl seine letzten Sympathien beim Volk.

Kritik an Merkels Sparkurs

Dabei liegen die zwei Extreme in mehreren Punkten gar nicht so weit auseinander. Beide wollen die Sparpolitik Brüssels und Angela Merkels nicht mitmachen, beide wollen die Sozialhilfe nicht kürzen und sind für eine Rücknahme der gestiegenen Beiträge in der Krankenversicherung. In der Europa-Frage unterscheiden sie sich jedoch: Zwar lehnt auch Roemer jede Strafzahlung an die EU wegen eines überhöhten Haushaltsdefizits ab („Nur über meine Leiche“), jedoch will er nicht gleich den Gulden wieder einführen und das Europa-Parlament auflösen, wie es Wilders in immer schrilleren Tönen fordert.

Emile Roemer ist zwar auch ein Populist, doch seine Worte sind nicht so hasserfüllt. Stets wirkt er wie ein gut gelaunter Teddybär mit vielen Wohltaten in seinen Taschen. Das scheint ihn für eine wachsende Zahl der Niederländer wählbar zu machen. „Vor ein paar Jahren noch wollte niemand etwas mit uns ‘Kommunisten’ zu tun haben, heute reißen sie uns unsere Wahlwerbung aus der Hand“, sagt Daan Brandenbarg, SP-Chef von Groningen.

Die kumpelhafte Art Roemers und seine einfache Wortwahl, schreiben Wahlkampfbeobachter, kommen bis jetzt gut an beim Volk. Schließlich lautet sein Signal: Ich bin einer von euch. Was der ehemalige Lehrer nie müde wird zu demonstrieren – wie bei seiner Ankunft in Groningen.

Wer macht das Rennen?

Auch wenn er mittlerweile vom ersten auf den dritten Platz gestürzt ist – knapp überholt von den Sozialdemokraten (PvdA) und der VVD von Ministerpräsident Mark Rutte – bleibt Roemer siegessicher. In der TV-Debatte sprach er von einem vorübergehenden Tief.

Welche Partei nun in diesem engen Rennen am Ende vorn liegen wird, ist unklar. Sicher ist nur: Sollte die SP stärkste Kraft werden, würde es in Europa nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Hollandes in Frankreich einsam um die Sparerin Angela Merkel.

Ob er denn schon eine Nachricht für die deutsche Kanzlerin hätte, wollte diese Zeitung von Emile Roemer in Groningen wissen. „Warten wir den Mittwoch ab, dann werde ich hoffentlich eine Menge Botschaften an Frau Merkel haben“, sagt Roemer und grinst. Es steht viel auf dem Spiel.