Berin. . Selbst Famlienpolitiker der CDU stellen die alleinige Förderung der Ehe mittlerweile in Frage. Für juristische Experten ist das Ehegattensplitting gar nicht mehr verfassungsgemäß. Sie fordern die Individualbesteurung für künftige Ehepartner.
Sommer 1981. Die Karlsruher Richter bestätigen in einem Grundsatzurteil, dass das Ehegattensplitting aus den 50er-Jahren weiter zulässig ist. Es soll „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ sein. Das Splitting „knüpft an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an“, schreiben die Verfassungshüter in ihrer Urteilsbegründung.
30 Jahre später hat sich die Realität verändert. Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Doppelverdienerpaare bemühen sich nach Kräften, intakte Familien zu sein. Ist das Ehegattensplitting da noch zeitgemäß? SPD und Grüne wollen es abschaffen, in der Union wollen es viele durch ein Familiensplitting ersetzen. Und die Zeit drängt.
Ist das Ehegattensplitting verfassungsgemäß?
Spätestens wenn Karlsruhe entscheidet, ob das Ehegattensplitting auch für die „Homo-Ehe“ gelten muss, wird von den Richtern das entscheidende Signal erwartet: Ist das Ehegattensplitting noch verfassungsgemäß? „Nein“, sagt die Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf. Erster Grund: Obwohl beide Verantwortung übernehmen, diskriminiert das Splitting Doppelverdiener-Ehen gegenüber Alleinverdiener-Ehen. Denn: Beim Ehegattensplitting werden die Einkommen der Partner erst addiert, dann halbiert und versteuert. Da hohe Einkommen höher versteuert werden als niedrige (Progression), steigt die Entlastung, je größer der Einkommensunterschied ist.
Zweiter Grund: Das Ehegattensplitting fördert die ungleiche Aufgabenverteilung in der Familie. Das hat Folgen. Frauen, die jahrelang auf eigenes Einkommen verzichtet haben oder nur Zuverdienerinnen waren, kann Altersarmut drohen. Zumal, wenn die Ehe geschieden wird und ein Wiedereinstieg in den Beruf nicht gelingt. Das Ehegattensplitting – eine „Stilllegeprämie“, ätzen die Kritiker.
Jeder zahlt für sich
Es gibt noch mehr Gründe gegen das Ehegattensplitting. In einigen Ehen werden keine Kinder mehr geboren, oder die Kinder sind längst aus dem Haus. „Dort müssen die Partner für das Existenzminimum des anderen einstehen können, darüber hinaus bedarf es aber keiner Förderung.“ Die Vorsitzende der Sachverständigenkommission Gleichstellung der Bundesregierung, die Duisburger Sozialwissenschaftlerin Ute Klammer, hält die Zeit für reif. Die Sachverständigen fordern in ihrem Bericht die Abschaffung des Ehegattensplittings und stattdessen die Einführung der Individualbesteuerung: Jeder zahlt für sich – ganz gleich, in welcher Lebensform er lebt. Nur die Grundfreibeträge zur Existenzsicherung des Partners sollen übertragbar bleiben.
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Das ist auch die Forderung der SPD. Um niemanden zu verunsichern, soll das Ehegattensplitting aber nur für künftige Ehen abgeschafft werden. „Für bestimmte Paare bedeutet die Individualbesteuerung eine faktische Steuererhöhung“, weiß auch Klammer. „Aber mittelfristig führt es zu neuem Verhalten.“ Vor allem, was die Berufsbiographien von Frauen und die Rollenverteilung in den Familien angeht. Mit dem Geld, das der Staat auf Dauer einspart – das Ehegattensplitting kostet derzeit jährlich rund 20 Milliarden Euro – sollen nach dem Willen der SPD Kinder direkt gefördert werden. Parteivize Manuela Schwesig will „Familien mit Kindern durch gute Infrastruktur und Kindergeld stärken“.
Liberale und Union sind noch dabei, ihre Linie zu finden: Im schwarz-gelben Regierungsprogramm von 2009 heißt es: „Wir wollen das Ehegattensplitting voll erhalten.“ NRW-Landeschef Armin Laschet (CDU), seine rheinland-pfälzische Amtskollegin Julia Klöckner und FDP-Familienexpertin Sibylle Laurischk möchten dagegen ein Familiensplitting für alle Mütter und Väter. Dabei gibt es verschiedene Modelle, in denen die Anzahl der Kinder in die Steuerberechnung einfließt. Doch das ist umstritten. „Das Familiensplitting müsste geprüft werden, ob es nicht auch die asymmetrische Aufgabenteilung zementiert“, so Klammer. Studien zur französischen Variante des Familiensplittings kommen zu dem Schluss, dass auch hier eher Familien mit Alleinverdienern gestärkt werden. Damit wäre also nicht viel gewonnen. „Man kann das Ehegattensplitting nicht scheibchenweise ändern“, so Klammer. „Wenn wir es jetzt verändern, dann auch grundsätzlich.
Kinderlos und trotzdem gut gefördert
Die größte Gruppe der Splitting- Nutznießer sind Ehepaare, die keine Kinder versorgen müssen – entweder, weil sie keine haben oder weil die Kinder bereits erwachsen sind. Das geht aus der Einkommenstatistik von 2007 des Statistischen Bundesamtes hervor. Neuere Zahlen gibt es noch nicht.
Ein Kind versorgen gut 22 Prozent derjenigen, die mit dem Ehegattensplitting gefördert werden; 23 Prozent haben zwei Kinder. Familien mit drei (sechs Prozent), vier (1,4 Prozent) sowie fünf und mehr Kindern (0,4 Prozent) sind so selten, dass sie bei der Splitting-Förderung kaum zu Buche schlagen.