Berlin. Der Experte der Industriestaaten-Organisation kritisiert, dass Deutschland weiterhin Nicht-Arbeit steuerlich fördert. Das könne man sich angesichts knapper werdender Arbeitskräfte nicht mehr leisten. Derweil möchte eine CDU-Gruppe das Steuerprivileg auf homosexuelle Partnerschaften ausweiten - und erhält Beifall von der Opposition.

In der Debatte um die Ausweitung des Ehegatten-Splittings auf homosexuelle Paare plädiert die Industriestaaten-Organisation OECD für eine Abschaffung dieses Steuerprivilegs. "Es ist nicht sinnvoll, die Nicht-Arbeit steuerlich zu fördern", sagte der Deutschland-Experte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Wörgötter. "Angesichts der rasant fortschreitenden Alterung der Bevölkerung und der zunehmenden Knappheit an Arbeitskräften kann sich das Deutschland nicht mehr leisten."

Das steuerliche Gießkannen-Prinzip

Das Ehegatten-Splitting begünstigt Familien mit nur einem Verdiener ebenso wie solche mit großen Einkommensunterschieden. Durch die gemeinsame Steuerveranlagung von Ehepaaren zahlt der Besserverdiener - in der Regel der Ehemann - einen geringeren Anteil seines Einkommens an den Fiskus. Eine Gruppe von CDU-Abgeordneten macht sich nun für die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe stark. "Insofern ist das Steuersplitting auch für Lebenspartnerschaften nur konsequent", heißt es in dem Papier von 13 CDU-Parlamentariern, das von Familienministerin Kristina Schröder unterstützt wird.

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Der Vorstoß komme zur rechten Zeit, da in diesen Lebenspartnerschaften Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernähmen und damit konservative Werte lebten, sagte die CDU-Ministerin.

Aus SPD, FDP und von seiten der Grünen bekam der Vorstoß der 13 Parlamentarier viel Beifall. Die SPD tritt dafür ein, die Ausweitung des Splittings auf homosexuelle Paare durch einen parteiübergreifenden Antrag zu regeln. Die SPD-Bundestagsfraktion sei bereit, schnellstmöglich einen gemeinsamen Text auszuarbeiten, erklärte der SPD-Beauftragte für Lesben und Schwule, Johannes Kahrs. "Wir fordern Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder (beide CDU) auf, bei der Abstimmung darüber die Fraktionsdisziplin aufzuheben."

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Zurückhaltend reagierte hingegen die CSU. Es handle sich um eine Initiative "innerhalb der Unionsfraktion", erklärte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Wir warten jetzt ab, wie die Fraktionsführung das Verfahren zu dieser Initiative nach der Sommerpause gestalten möchte."

OECD-Experte Wörgötter mahnt allerdings dazu, das bestehende Steuerprivileg nicht einfach auszudehnen - sondern völlig neu zugestalten. "Es ist nichts dagegen einzuwenden, Partnerschaften steuerlich zu fördern", sagte Wörgötter. "Aber das sollte auf eine Art und Weise geschehen, die nicht einen der Partner von der Beteiligung am Erwerbsleben abhält." Die jetzige Regelung mache Mini-Jobs, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung durch das Steuerprivileg attraktiver. "Denn viele Partnerschaften sind so konstruiert, dass der eine viel und der andere wenig arbeitet", sagte der OECD-Experte. "Das wird durch das Ehegatten-Splitting gefördert."

Verfassungsgericht hält am Frauenbild fest

Nach einer OECD-Statistik arbeitet in Deutschland jede dritte Frau in Teilzeit. Im Schnitt der Industriestaaten ist es nur jede vierte Frau. Die OECD macht für die vergleichsweise geringe Erwerbsbeteiligung von Frauen das Ehegatten-Splitting mitverantwortlich. Es gab bereits mehrere Anläufe, das Ehegattensplitting zu modifizieren und zum Beispiel auf die Förderung von Familien mit Kindern zu reduzieren. Dies wurde jedoch regelmäßig vom Verfassungsgericht mit Hinweis auf den im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz von Ehe und Familie sowie die besondere Anerkennung der Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter zurückgewiesen.