Berlin. . Als Reaktion auf den Organspendeskandal um manipulierte Patientenakten an der Uniklinik Göttingen lehnt Bundesärztekammer-Präsident Montogomery eine staatliche Aufsicht von Transplantationen ab. Unterdessen hat Bundesgesundheitsminister Bahr zu einem Krisen-Gespräch eingeladen.
Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery hat als Konsequenz aus dem Organspendeskandal schärfere Kontrollen der Transplantationen und mehr Geld für zusätzliche Prüfer gefordert. Die Ärzte sollten die Kontrollen aber selbst übernehmen, eine staatliche Aufsicht lehnte Montgomery in "Welt" vom Freitag ab. Die Ermittlungen in Regensburg zu den dortigen Fällen werden laut Staatsanwaltschaft noch längere Zeit dauern.
An den Uni-Kliniken in Göttingen und Regensburg sollen durch die Manipulation von Krankenakten bestimmte Patienten bei der Organspende bevorzugt worden sein, ein zu den jeweiligen Zeiträumen an den Kliniken arbeitender Arzt gilt als Hauptverdächtiger. Während der Fall in Göttingen bereits länger bekannt ist, zeigte sich erst jetzt das Ausmaß in Regensburg. Dort sollen in 23 Fällen von dem Transplantationsmediziner Akten manipuliert worden sein.
Montgomery sagte, er lehne eine von Grünen und CSU geforderte staatliche Aufsicht über das Transplantationsgeschehen ab. Die ärztliche Selbstverwaltung habe ihre Aufgabe gut gemacht, durch sie sei der Skandal erst entdeckt worden: "Dass zum Beispiel weder das bayerische Wissenschaftsministerium noch die Strafverfolgungsbehörden ein Interesse gezeigt haben, die Unregelmäßigkeiten in Regensburg vor rund sieben Jahren weiter zu verfolgen und zur Gänze aufzuklären, zeigt, dass staatliche Instanzen keine bessere Kontrolle bieten."
Kontrollen nach US-Vorbild
Der Ärzte-Funktionär sagte, die ärztliche Selbstverwaltung brauche weitere Kompetenzen. Es sollte nach US-Vorbild spezielle Prüfer geben, die flächendeckend kontrollieren, aber auch ganze Verläufe von Transplantationen begutachten könnten.
Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) wies die Aussagen Montgomerys zur angeblichen Untätigkeit der staatlichen Aufsicht im Jahr 2005 zurück. Das Sozialministerium habe den Vorgang damals an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung weitergeleitet, erklärte er in München. Diese habe die Ermittlungen eingestellt, die Landesregierung habe danach aber neue Richtlinien verfasst. Der damalige Fall sei "völlig anders gelagert" als die nun bekannten, betonte Heubisch.
Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" gab es an der Uniklinik in Regensburg nicht nur unter dem hauptverdächtigen Arzt, sondern auch nach dessen Weggang einen erstaunlichen Zuwachs an Lebertransplantationen. Staatsanwaltschaft und bayerisches Wissenschaftsministerium bestätigten das nicht. "Wir können diesen Anstieg der Transplantationsfälle auch über das Jahr 2008 hinaus nicht kommentieren. Da müssen wir die Ermittlungen sowohl der Staatsanwaltschaft als auch die hausinternen der Uniklinik abwarten", sagte ein Ministeriumssprecher.
Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, stehen die Ermittlungen noch ganz am Anfang. Wann mit ersten Ergebnissen zu rechnen ist, sei noch nicht absehbar. "Das wird dauern."
Bundesgesundheitsminister lädt zu Krisen-Runde
Eine Spitzenrunde bei Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr soll Ende des Monats über Schlussfolgerungen aus dem Organtransplantations-Skandal beraten. Wie der FDP-Politiker am Freitag in Berlin mitteilte, sollen daran unter anderem der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Deutsche Stiftung Organtransplantation sowie die Stiftung Eurotransplant, die Deutsche Transplantationsgesellschaft und die Bundesärztekammer teilnehmen. "Ich erwarte Vorschläge, wie künftig Manipulationen und andere Verstöße besser zu verhindern sind", sagte Bahr. Neben der lückenlosen Aufklärung der Vorfälle solle gemeinsam über Konsequenzen beraten werden. "Das sind wir den Menschen auf der Warteliste, den Spendern und ihren Angehörigen schuldig", sagte er.
Bahr betonte, die Vorfälle in Göttingen und Regensburg erschütterten ihn zutiefst. Offenbar seien Spenderorgane in vielen Fälle nicht nach medizinischer Notwendigkeit und Dringlichkeit vergeben worden. Die Entnahme von Organen, die Vermittlungsentscheidung und die Transplantation seien in Deutschland jedoch im Transplantationsgesetz, den Richtlinien der Bundesärztekammer und der ärztlichen Berufsordnung klar geregelt. Die betroffenen Zentren rief der Minister auf, die Kommissionen bei der lückenlosen Aufklärung des Geschehens zu unterstützen.
An den Unikliniken in Göttingen und Regensburg sind offenbar in großem Stil Daten manipuliert worden, um ausgewählten Patienten gegen Geld Spenderlebern zu verschaffen. Der in Göttingen unter Tatverdacht stehende Transplantationschirurg war von 2003 bis 2008 leitender Oberarzt in Regensburg. An der Universitätsklinik Göttingen soll er in mehr als 20 Fällen Patienten durch Datenmanipulationen Spenderlebern verschafft haben. Gegen ihn wird wegen Bestechlichkeit und Tötungsdelikten ermittelt. (dapd/afp)