Regensburg. . Der Organspende-Skandal um manipulierte Patientenakten wird immer größer. Seit Donnerstag wird auch einer Klinik in Regensburg ermittelt, in der ein verdächtiger Arzt bis 2008 tätig war. Ein Abteilungs-Direktor dort ist jetzt vom Dienst freigestellt.
„Eine Ausnahme“ hieß es anfangs, von einem „Einzeltäter“ war die Rede. Doch mittlerweile zieht der Göttinger Organspende-Skandal immer größere Kreise. Möglicherweise hat der Hauptbeschuldigte auch in seiner Zeit am Klinikum Regensburg Patienten bei der Vergabe von Spenderorganen bevorzugt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits, der Direktor der zuständigen Abteilung in Regensburg wurde beurlaubt.
Am Mittwoch hatte das Krankenhaus Strafanzeige gegen den 45-jährigen Transplantationsexperten gestellt, der dort von 2003 bis 2008 als Oberarzt tätig war. Bei einer internen Überprüfung war die Klinik auf 23 Verdachtsfälle gestoßen. „Wir ermitteln wegen Verdachts der Bestechlichkeit und der fahrlässigen Tötung,“ bestätigte ein Sprecher der Regenburger Staatsanwaltschaft. Möglicherweise seien Patienten auf der Warteliste für Organe durch Manipulationen nach unten gerutscht und deshalb gestorben.
Mit sofortiger Wirkung beurlaubt
Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass der Mediziner aufgefallen ist. Bereits 2005 hatte die Bundesärztekammer aufgedeckt, dass in Regensburg ausländische Patienten unberechtigterweise auf die europäische Warteliste für Organtransplantationen gelangt waren. Aufgefallen war das nach der Transplantation einer Leber in einem jordanischen Hospital, mit dem das Klinikum eine Partnerschaft hatte.
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Die damaligen Ermittlungen wurden aber bereits nach kurzer Zeit eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft keine strafbare Handlung feststellen konnte, sondern eine „Ordnungswidrigkeit“. Und selbst die nur „möglicherweise“. Für Professor Hans J. Schlitt, Direktor der Klinik, jedenfalls kein Grund, seinen Oberarzt zu suspendieren. Deshalb wurde Schlitt am Donnerstag mit sofortiger Wirkung beurlaubt. „Die Universität und die Fakultät prüfen, ob er seine Aufsichtspflicht verletzt hat“, kündigte Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) an.
Spendenbereitschaft sinkt
Auch in Göttingen laufen die Ermittlungen weiterhin auf Hochtouren. Mittlerweile beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft dort nicht nur mit den Manipulationsvorwürfen gegen den Transplantations-Experten, sondern auch mit einer auffälligen Häufung von Organspende-Patienten aus Italien. Zwischen 1995 und 1999 habe es bei 99 Lebertransplantationen 23 Patienten mit Wohnsitz in Italien gegeben, bestätigte ein Kliniksprecher. Das Krankenhaus prüfe nun zunächst, ob es dabei zu Regelverstößen gekommen sei.
Unterdessen sinkt durch den jüngsten Skandal angeblich die Bereitschaft der Deutschen, Organe zu spenden. Ulrike Wirges, geschäftsführende Ärztin bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), spricht in der Rheinischen Post von mehreren konkreten Fällen, in denen die Angehörigen von potenziellen Organspendern die Entnahme bei den Verstorbenen unter indirektem oder direktem Verweis auf die Vorgänge an der Uni Göttingen verweigert hätten. „Wir müssen befürchten“, sagt Wirges, „dass die aktuelle Verunsicherung rund um das Thema Organspende einen messbaren Negativ-Einfluss auf die Organspendebereitschaft in Deutschland hat.“