Damaskus. Syriens Präsident Assad hat nach Aussagen des russischen Botschafters in Frankreich akzeptiert, dass er sein Amt verlassen muss. Wie Botschafter Orlow einem französischen Radiosender sagte, werde zurzeit mit der Opposition über einen geordneten Rückzug Assads verhandelt.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad will Syrien möglicherweise verlassen: Wie Russlands Botschafter in Frankreich, Alexander Orlow, am Freitag dem französischen Radiosender RFI Radio sagte, habe Assad akzeptiert, dass er sein Amt niederlegen müsse, werde das aber nur auf ordentliche Art und Weise tun.
Bei der Genfer Konferenz sei ein Kommunique verfasst worden, das einen Übergang zu einem demokratischeren System vorsehe, sagte Orlov; dieses Dokument sei von Assad akzeptiert worden. Der Präsident habe einen Vertreter benannt, der mit der syrischen Opposition über den Übergang verhandeln soll: "Das bedeutet, er hat sich damit abgefunden, abzutreten - aber geordnet." Das syrische Informationsministerium hat am Freitag mitgeteilt, dass die Aussagen Orlovs "jeglicher Wahrheit entbehren".
Ein hochrangiger westlicher Diplomat sagte, Orlows Äußerungen sollten mit Vorsicht behandelt werden. "Wir haben von Assad noch nicht gehört, dass er zum Rücktritt bereit ist." Auch der Zeitraum sei unklar. "Meint er jetzt oder in zwei Jahren?"
Donnerstag blutigster Tag seit Beginn des Aufstands gegen Assad
Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten sind in Syrien am Donnerstag mehr als 300 Menschen getötet worden. Damit war es der blutigste Tag seit Beginn des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag mitteilte. Demnach wurden bei Kämpfen und dem Vorgehen der Armee gegen die Opposition 139 Zivilisten, 98 Soldaten und 65 Rebellen getötet.
Derweil berichtete das syrische Staatsfernsehen, Regierungstruppen hätten die Kontrolle über das Viertel Midan im Zentrum der umkämpften Hauptstadt Damaskus zurückgewonnen. Die Armee habe das Viertel von den „Resten bezahlter Terroristen gereinigt“, hieß es. Nach Angaben der Beobachtungsstelle ging die Armee mit sieben Panzern und zwei Truppentransportern gegen das von Aufständischen gehaltene Viertel vor.
Irak: Syrische Rebellen übernehmen Kontrolle über Grenzübergänge
Die Organisation meldete zudem heftige Kämpfe aus den Vierteln Kafar Susse und Hadschar al-Aswad im Südwesten und Süden der Hauptstadt. Auch das im Osten von Damaskus gelegene Viertel Kabun sei erstmals mit 15 Panzern und Truppentransportern angegriffen worden. Seit dem Wochenende liefern sich Rebellen und Regierungstruppen in Damaskus heftige Gefechte.
Ein AFP-Fotograf berichtete unterdessen, dass die Aufständischen nach heftigen Kämpfen in der Provinz Idlib den Grenzübergang Bab al-Hawa zur Türkei kontrollieren. Rund 150 schwer bewaffnete Kämpfer befinden sich demnach an dem Grenzposten, vor dem die ausgebrannten Wracks türkischer Lastwagen liegen. Zuvor hatte die irakische Regierung bereits erklärt, syrische Rebellen hätten die Kontrolle über sämtliche Grenzübergänge zum Irak übernommen.
Der nationale syrische Sicherheitschef ist am Freitag den Verletzungen erlegen, die er bei einem Anschlag der Rebellen auf den Sitz der syrischen Sicherheitskräfte in Damaskus vom Mittwoch erlitten hatte. Dies berichtete das staatliche syrische Fernsehen. General Hischam Ichtijar ist das vierte Mitglied des inneren Machtzirkels von Präsident Baschar Assad, das bei dem Anschlag sein Leben verlor.
Verteidigungsminister de Maiziere sieht keine Möglichkeit für militärischen Einsatz
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere sieht keine Möglichkeit für einen militärischen Einsatz in Syrien „mit einem vertretbaren Aufwand“. „Wir reden hier über einen sehr komplizierten Konflikt, faktisch einen Häuserkampf“, sagte der Minister am Freitag der ARD. Dieser sei sehr verlustreich. Er erinnerte daran, dass der Einmarsch der USA im Irak den Einsatz von 250.000 Soldaten erfordert habe und Luftangriffe in Syrien nicht zur Lösung des Konflikts beitragen könnten. Dagegen hält offenbar eine knappe Mehrheit der Deutschen ein Eingreifen der Nato in Syrien für sinnvoll. In einer Infratest-dimap-Umfrage für die ARD befürworteten 44 Prozent der Befragten ein Eingreifen der Nato, 43 Prozent lehnen ihn ab.
Unabhängig von den schwierigen Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat erhöht die EU den Druck auf Assad. Die Außenminister wollen am Montag die Sanktionen gegen Damaskus zum inzwischen 17. Mal verschärfen, hieß es am Freitag aus verschiedenen EU-Diplomatenkreisen. Zum einen solle die Umsetzung des Waffenembargos durch verpflichtende Kontrollen verdächtiger Lieferungen nach Syrien sichergestellt werden. Überdies würden bis zu 30 weitere Personen aus dem Umkreis des Regimes sowie drei weitere Institutionen oder Unternehmen auf die Liste gesetzt.
EU dringt weiter auf eine geschlossene Reaktion im UN-Sicherheitsrat
Die Listung bedeutete ein Einfrieren der Bankkonten und Einreiseverbote in die EU. Die Verhandlungen über die Einzelheiten dauerten am Freitag noch an, hieß es aus den beiden Quellen. Erst vor einem Monat hatten die Außenminister die Sanktionsschraube weiter angezogen. Seitdem stehen schon 129 Personen sowie 49 Firmen und öffentliche Institutionen auf der Liste. Sanktionen gegen die Aufständischen seien nicht vorgesehen, hieß es, denn die Ursache der Gewalt liege "beim Regime".
Parallel zu ihren Strafmaßnahmen dringt die EU weiter auf eine geschlossene Reaktion im Sicherheitsrat, wo China und Russland Sanktionen gegen Assad zuletzt am Donnerstag abgeschmettert hatten. "Die diplomatischen Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft" sagte ein Diplomat. Aber die Eskalation der Gewalt erfordere dringend geschlossenes Handeln zur Umsetzung des Friedensplanes des UN-Sondergesandten Kofi Annan, erklärte EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton. Nach 16 Monaten Blutvergießens sei es von "äußerster Dringlichkeit", dass die Staatengemeinschaft vereint einen Bürgerkrieg mit tragischen Folgen für die ganze Region verhindere. (rtr/afp/dapd)