Madrid. . In Spanien geht es drunter und drüber: Minister flüchten durch den Hinterausgang, massiver Protest gegen radikale Sparpläne der Regierung macht sich breit. Demonstranten belagern sogar das Parlament. Ministerpräsident Rajoy beteuert: „Wir haben keine Wahl.“
„Hände hoch, das ist ein Überfall“, rufen die Demonstranten vor dem Portal des Parlamentes in Madrid. Drinnen, im Abgeordnetenhaus, hatte Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy gerade die Nation mit dem größten Sparpaket aller Zeiten geschockt: „Ich weiß, dass diese Maßnahmen nicht angenehm sind, aber sie sind unverzichtbar.“ Anschließend mussten Rajoy und seine Minister durch den Hinterausgang flüchten.
Einige Kilometer weit entfernt, vor dem Industrieministerium, lieferten sich mehrere tausend Bergleute eine Straßenschlacht mit der Polizei. Auch die Kohleminenarbeiter sind vom harten Sparkurs des hoch verschuldeten Staates betroffen. Die Subventionen für ihre unrentablen Steinkohle-Bergwerke wurden zusammengestrichen. „Wir haben keine Zukunft mehr“, brüllten sie und warfen Steine und Feuerwerkskörper Richtung Polizei. Die Beamten antworteten mit Knüppeln, Gummigeschossen, Tränengas.
Bergleute sehen sich als Speerspitze des Volkes
Der harte Widerstand der Bergleute lässt eine Ahnung aufkommen, was dem Krisenland blühen könnte, wenn das soziale Pulverfass der wachsenden Armut und Massenarbeitslosigkeit wirklich einmal explodiert. Die Bergleute sehen sich als Speerspitze des großen Heeres der Unzufriedenen und Perspektivlosen im Königreich. Sie werden von den großen Gewerkschaften gestützt, die ebenfalls zum Widerstand aufrufen. Am 19. Juli wollen sie mit „massiven Demonstrationen“ in allen Städten gegen den „Angriff“ der Regierung vorgehen.
Die Gewerkschaftsführer fordern eine Volksbefragung über das harte Kürzungsprogramm, welches sie als „politischen Betrug“ bezeichnen. Im Herbst könnte ein Generalstreik blühen. Zudem wollen Ärzte, Lehrer und die öffentlichen Angestellten die Arbeit niederlegen. Auch Spaniens junge Protestgeneration, die „Empörten“, planen Aktionen.
Spaniens Regierung muss 65 Milliarden Euro sparen
Ministerpräsident Rajoy, der versucht, das Land vor der Staatspleite zu retten, verordnete den Spaniern das größte Notprogramm der Geschichte. „Wir haben keine andere Wahl. Ob uns das gefällt oder nicht.“ Um 65 Milliarden Euro soll die Staatskasse mit schmerzhaften Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen entlastet werden – es ist das dritte Sparpaket seit Jahresbeginn.
Die Mehrwertsteuer klettert von 18 auf 21 Prozent. Bei Arbeitslosengeld, Rente, Pflege, Gesundheitsversorgung, Bildung, Jugendarbeit und Beschäftigungsförderung wird gestrichen. Die Beamten müssen aufs Weihnachtsgeld verzichten. Und vermutlich wird der Katalog der Grausamkeiten noch länger.