Berlin. . In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der Einpersonen-Haushalte stark gestiegen. Besonders drastisch ist die Entwicklung bei den Männern: Die Zahl der Alleinlebenden hat sich fast verdoppelt. Im Ruhrgebiet leben allerdings weniger Männer allein als in anderen Städten in Deutschland.
Die Zahl der Alleinlebenden ist in Deutschland dramatisch angestiegen. Im vergangenen Jahr wohnten rund 15,9 Millionen Bürger – also jeder Fünfte – in einem Einpersonenhaushalt. Das sind 40 Prozent mehr als 20 Jahre zuvor. Dies geht aus dem neuen Mikrozensus hervor, den das Statistische Bundesamt am Dienstag in Berlin vorstellte.
Besonders rasant ist die Entwicklung bei den Männern. 7,4 Millionen führten ein Solo-Leben, das sind 81 Prozent mehr als 1991. Bei den Frauen betrug der Anstieg lediglich 16 Prozent auf 8,5 Millionen.
Dafür gibt es viele Ursachen: Der Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, sprach von längeren Ausbildungszeiten und späteren Heiraten bei jungen Menschen.
Nach der gescheiterten Beziehung in die Isolation
Der Soziologe Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung erwähnte den Zerfall der traditionellen Familienformen, den Bedeutungsverlust der Ehe und die Zunahme von Scheidungen. „Der ökonomische und gesellschaftliche Druck zum Zusammenleben hat nachgelassen“, sagte Kröhnert der WAZ Mediengruppe. Verstärkend komme bei Männern hinzu, dass die Kinder nach einer gescheiterten Beziehung in der Regel bei der Mutter bleiben. „Gerade für Männer wird die Gefahr daher immer größer, dass sie vereinsamen und auch depressiv werden“, sagte Kröhnert. „Nach einer Trennung haben sie größere Probleme als Frauen, sich mit der neuen Situation abzufinden und Kontakte zu knüpfen.“
Ute Klammer von der Universität Duisburg-Essen sieht das ähnlich: Ein Teil der Männer drohe gerade dann zu vereinsamen, wenn sie den Kontakt zu den Kindern verlören. Als einen Ansatz zur Hilfe für ältere Menschen schlagen Kröhnert und Klemmer vor, verstärkt auf gemischte Wohnformen oder Altenwohngemeinschaften zu setzen.
Ruhrgebiets-Städte am Ende der Einsamkeits-Skala
Wie die bundesweite Befragung ergab, boomen Einpersonen-Haushalte vor allem in Ostdeutschland und in den 15 größten Städten. Den höchsten Anteil an Alleinlebenden hat Hannover mit 33 Prozent. Dahinter kommen Berlin und Leipzig.
Auch interessant
Am Ende des Städte-Rankings liegen Essen, Dortmund und Duisburg, wo rund jeder Vierte alleine wohnt. Klammer begründet dies mit dem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, wo das Alleinleben geradezu verpönt sei.
In kleinen Gemeinden mit bis zu 5000 Einwohnern leben dagegen nur 14 Prozent der Bürger in einem Einpersonenhaushalt.
Vom Studenten bis zum Rentner: Immer mehr Menschen leben in einem Einpersonenhaushalt. Doch das hat auch seine Schattenseiten. So sind Alleinlebende überdurchschnittlich oft von Armut betroffen. Dies belegt der gestern vorgestellte Mikrozensus.
Wie Frauen von der Einsamkeit profitieren
Was ist der Mikrozensus?
Er ist die größte jährliche Haushaltsbefragung in Deutschland und Europa.
Wie sehen die Wohnformen der Deutschen aus?
Fast jeder zweite Einwohner lebt mit seiner Familie unter einem Dach. 29 Prozent der Bürger leben mit dem Partner zusammen, haben aber keine Kinder. Jeder Fünfte führt einen Solohaushalt. Zwei Prozent der Bürger sind alleinstehend und wohnen in einer Mehrpersonwohnung.
In welchen Bundesländern wohnen besonders viele Menschen mit einem Einpersonenhaushalt?
Den höchsten Anteil an Alleinlebenden – das müssen nicht unbedingt Singles sein – gibt es in Berlin: In der Bundeshauptstadt beträgt er 31,1 Prozent, auf den weiteren Plätzen folgen Hamburg und Bremen. In NRW wohnen nur 18,9 Prozent der Bürger allein. In Niedersachsen sind es 19,4 Prozent, in in Thüringen 19,1 Prozent.
Warum leben in den Stadtstaaten und Großstädten so viele allein?
Das hat viele Ursachen: Es kann an der besseren Infrastruktur liegen, den Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder auch der medizinischen Versorgung.
Wie sehen wir im europäischen Vergleich aus?
In Sachen Alleinlebende steht Deutschland gleich hinter Schweden an der Spitze; dort wohnten vor zwei Jahren 24 Prozent der Bürger in einem Solohaushalt. EU-weit lag der Schnitt im Jahr 2009 bei 13 Prozent. Auf Zypern und Malta hingegen wohnten nur sechs Prozent der Bürger ohne Partner, Verwandte oder Freunde.
Wie ist die finanzielle Lage der Bürger mit einer Einpersonenwohnung?
Sie sind überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen. So beziehen 17 Prozent der Alleinlebenden zwischen 35 und 64 Jahren Hartz IV, Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld I. Von den Menschen in einem Mehrpersonenhaushalt brauchen nur sechs Prozent staatliche Hilfen. Zuletzt war die Armutsgefährdungsquote für Alleinlebende insgesamt fast doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der Bevölkerung.
Wie geht es berufstätigen Frauen mittleren Alters, die alleine leben?
72 Prozent von ihnen arbeiten in Vollzeit. Nach dem Wunsch vieler Frauen könnte dieser Anteil sogar noch höher sein. So sagte fast jede dritte Befragte, sie arbeite nur deshalb in Teilzeit, weil sie keine volle Stelle gefunden habe. Übrigens: Insgesamt haben alleinlebende Frauen häufiger eine Führungsposition im Job inne als nicht Alleinlebende. Bei den Männern ist das genau anders herum.
Wie sehen die Lebensformen der Erwachsenen bis 34 Jahre aus?
Im Vergleich zum Jahr 1996 wohnen sie inzwischen häufiger allein, bei ihren Eltern oder zusammen mit dem Lebensgefährten – jedoch immer seltener mit dem Ehepartner. Verheiratet sind heute nur noch 21 Prozent der jungen Leute – 16 Prozentpunkte weniger als noch vor 15 Jahren. Dies liegt auch daran, dass sich Paare immer später für eine Heirat entscheiden.
Immer mehr Männer mittleren Alters leben allein. Warum?
Auch dafür gibt es mehrere Gründe: die Scheidung oder Trennung von der Partnerin spielt eine Rolle. Hinzu kommt, dass 60 Prozent der Männer in jener Altersklasse „Junggesellen“ sind. Zwei Jahrzehnte zuvor lag der Anteil lediglich bei 47 Prozent.
Wie steht es um die Alleinlebenden ab 65 Jahren?
Gut zwei Drittel der Menschen im Rentenalter waren 2011 verwitwet. Das betraf 53 Prozent der Männer und 76 Prozent der Frauen. Dass Frauen häufiger verwitwet sind, liegt vor allem an der höheren Lebenserwartung der Frauen. Zudem waren die Ehemänner in der Regel älter als sie selbst.