Wenn in Deutschland und Skandinavien viel mehr Menschen alleine leben als im Süden, könnte es daran liegen, dass Familie im Norden weniger wichtig ist. Oder daran, dass wir es uns eben leisten können.
Wenn Familienmänner häufiger Führungspositionen innehaben als Singlemänner, könnte es daran liegen, dass Karriere leichter fällt, wenn eine Frau den Rücken frei hält. Oder daran, dass erfolglose Männer schwer Frauen finden. Wenn Single-Frauen gebildeter sind als Familienfrauen, könnte es daran liegen, dass Familie und Karriere für Frauen schwer vereinbar ist. Oder daran, dass erfolgreiche Frauen Männer abschrecken.
Wahrscheinlicher als ein Entweder-Oder ist ein Sowohl-als-auch. Es gibt viele Ursachen für die gestiegene Zahl der Alleinlebenden. Und wenig Gemeinsamkeiten zwischen dem 27-jährigen Berufsanfänger und der 72-jährigen Witwe. Höchstens die, dass beide mit ihrem Single-Dasein zufriedener sind als der geschiedene Mittfünfziger, der schockiert war, weil die Frau ging, als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren. Diese Männer sind die größten Verlierer der vergangenen 20 Jahre.
Wer alleine lebt, muss nicht einsam sein
Allerdings: Wer alleine lebt, muss nicht einsam sein. Er kann Freunde haben, Kinder, Eltern oder sogar einen Partner mit eigener Wohnung. Dennoch sind die wenigsten Singles freiwillig Singles. Weil fast alle Menschen sich dauerhafte Liebe wünschen. Allerdings gibt es immer seltener die finanzielle Notwendigkeit, bei einem ungeliebten Partner zu bleiben. Ob das für die 150.000 Minderjährigen, die 2011 von der Scheidung ihrer Eltern betroffen waren, ein Trost ist, ist allerdings eine andere Frage. Die Individualisierung hat ihren Preis.
Die gesellschaftliche Aufgabe angesichts solcher Statistiken ist aber nicht das Moralisieren, sondern das Entwickeln von Wohn- und Lebensmodellen für veränderte Bedürfnisse: Alters-WGs und Mehrfamilienhäuser müssen in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen.