Berlin. . Die SPD sagt Ja zum Fiskalpakt - unter Bedingungen: Ein kleiner Parteitag in Berlin billigte am Samstag „mit überwältigender Mehrheit“ den Kompromisskurs der SPD-Spitze. Die Sozialdemokraten wollen danach dem Vertrag für mehr europäische Haushaltsdisziplin zustimmen, wenn er durch ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit und Wachstumsimpulse ergänzt wird.
Die SPD-Führung hat für ihre absehbare Zustimmung zum europäischen Fiskalpakt Ende Juni breite Rückendeckung der Parteibasis. Die rund 230 Delegierten des Kleinen SPD-Parteitags am Samstag in Berlin votierten mit nur acht Gegenstimmen und Enthaltungen für den Kurs, den Sparvertrag mitzutragen – wenn er um Wachstumsimpulse und die Einführung einer Finanzmarktsteuer ergänzt wird, was die Bundesregierung schon zugesagt hat.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, einem reinen Sparvertrag könne die SPD nicht zustimmen, weil er die Verschuldung in den Euro-Krisenländern noch verstärke, doch habe man in den vergangenen zwei Wochen bei Kanzlerin Angela Merkel und ihrer Koalition eine „sehr weitgehende Kursänderung“ erlebt.
Größter Knackpunkt
Größter Knackpunkt im Fiskalpakt-Poker bleibt nun die von der SPD unterstützte Forderung der Länder, der Bund müsse sie und die Kommunen von weiteren Sparverpflichtungen freistellen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sprach von schwierigen Verhandlungen. Überraschend knüpfte CSU-Chef Horst Seehofer am Wochenende die Zustimmung zum Fiskalpakt an Zusagen des Bundes für mehr Geld vor allem für Verkehrsprojekte.
SPD-Chef Gabriel warnte seine Partei, sich in die Fiskalpakt-Verhandlungen „zu verbeißen“ - die Euro-Krise könne im Sommer noch dramatischer werden. Beim erstmals tagenden Parteikonvent war die Rückendeckung unerwartet groß, nachdem im Vorfeld vom linken Parteiflügel eine härtere Linie gegen die Regierung gefordert worden war.
Besteuerung von Vermögen
Der Großteil der Kritiker ließ sich aber mit einigen Änderungen am Vorstands-Papier überzeugen - so verlangt die SPD nun zusätzlich, auch eine europaweite Mindestbesteuerung von Vermögen durchzusetzen, macht dies aber nicht zur Bedingung für ein Ja zum Fiskalpakt. Für eine grundsätzliche Ablehnung des Fiskalpakts hatten zuvor die Sprecherin der Demokratischen Linken, Hilde Mattheis, und der Chef des Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, geworben - ohne Erfolg. „
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sagte in einer bejubelten Rede: „Die Einführung der Finanztransaktionssteuer ist einer der größten Siege der europäischen Sozialdemokratie.“ In dem beschlossenen Vorstandsantrag fordert die SPD auch einen Schuldentilgungsfonds, mit dem es eine gemeinsame Haftung für einen Teil der Staatsschulden gäbe. Verlangt wird ein europäischer Investitions- und Aufbaufonds, ein Programm zum Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, eine Mindestbesteuerung von Vermögen und insgesamt eine stärkere Harmonisierung der Finanz- und Steuerpolitik in Europa.
Gemeinsame Europa-Regierung
SPD-Chef Gabriel forderte auf dem Konvent auch eine grundlegende Reform der EU - mit gemeinsamer Europa-Regierung, gewählt von einem starken EU-Parlament, und einem neuen „Marshallplan“ für den wirtschaftlichen Aufbau. Das Krisenmanagement sei auf Dauer keine Lösung, Europa stehe jetzt vor einer Grundsatzentscheidung, sagte Gabriel. „Das Elitenprojekt Europa ist zu Ende. Wir müssen Europa neu gründen, weil das Fundament nicht mehr stabil ist“, sagte Gabriel.
Notwendig sei eine politische Union, deren Ziel auch die Angleichung der Lebensverhältnise sein müsse. Ein zweiter Marshallplan müsse den wirtschaftlichen und sozialen Aufbau Europas über 20 bis 40 Jahre sichern - wofür vom Export profitierende Länder wie Deutschland auch „Transferleistungen geben müssen, statt sie ständig zu bejammern.“ Gabriel schlug als Ergänzung zu einem gestärkten EU-Parlament und einer EU-Regierung eine „zweite Kammer“ der Staats- und Regierungschefs vor.