Berlin. . Wissenschaftler sehen Fortschritte und mahnen zugleich. In Deutschland gibt es trotz Fortschritten im Bildungssystem noch immer zahlreiche Bildungsverlierer. So zeigt etwa nach wie vor jeder fünfte Schüler Schwächen beim Lesen, und viele Jugendliche schaffen nicht den direkten Übergang in die Berufsausbildung, wie aus dem am Freitag in Berlin vorgestellten Bildungsbericht hervorgeht.
In Deutschland gibt es trotz Fortschritten im Bildungssystem noch immer zahlreiche Bildungsverlierer. Laut Bildungsbericht 2012 haben immer noch 6,5 Prozent der Schulabgänger keinen Abschluss. Zudem ist nach Auskunft der Bildungsforscher jeder fünfte Schüler schwach im Lesen.
Gleichwohl zogen die Kultusminister gestern bei der Vorstellung des Berichtes in Berlin eine positive Bilanz. „Die Zahl der Abiturienten nimmt zu, die Zahl der Schulabbrecher geht weiter zurück“, betonte der Präsident der Kultusministerkonferenz, der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD). Außerdem besuchten fast alle drei- bis fünfjährigen Kinder inzwischen eine Kindertagesstätte, erklärte Rabe.
Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss sinkt
49 Prozent der Schulabsolventen im Jahr 2010 haben die allgemeine Hochschulreife erlangt. Es gibt mehr Studenten, dazu bessere Chancen für Jung-Akademiker. Auch die Lage auf dem Lehrstellenmarkt entspannt sich. Zwischen 2008 und 2010 ist der Anteil der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss gesunken: Von acht auf 6,5 Prozent. Die Forscher mahnen, dass der Ausbau des Betreuungsangebots für unter Dreijährige massiv vorangetrieben werden muss, um den ab August 2013 geltenden Rechtsanspruch erfüllen zu können
Das Bildungsniveau steigt. Die Hälfte der Jugendlichen macht Abitur. Es gibt mehr Studienanfänger- und Abschlüsse, weniger Schulabbrecher. Der Bildungsbericht, der gestern in Berlin vorgelegt wurde, liest sich für die Kultusminister wie ein gutes Zeugnis. Fragen und Zahlen im Überblick:
Was ist der Bildungsbericht?
Eine Datensammlung und Analyse, die alle zwei Jahre von Wissenschaftlern vorgelegt wird. Die Federführung hatte der Bildungsforscher Horst Weishaupt. Auftraggeber sind Bund und Länder.
Stimmt es, dass darin das geplante Betreuungsgeld kritisiert wird?
Indirekt. Die Forscher fragen, ob Mittel für die Kindertagesstätten fehlen werden. Die Regierung antwortet, es seien zwei verschiedene Töpfe. Das Betreuungsgeld gehe nicht zu Lasten des Programms zum Kita-Ausbau.
Wie sieht es bei der frühkindlichen Bildung aus?
Die 3- bis 6-Jährigen gehen in der Regel in eine Kita. Bei den Jüngeren liegt der Anteil bei 25 Prozent.
Sind private Schulen im Trend?
Ihr Anteil hat sich zwischen 1998 und 2010 von 5,2 auf 9,9 Prozent fast verdoppelt. Ein Beispiel: Die Zahl der privaten Grundschulen ist in Jahren von 2277 auf 3605 gestiegen. Zum Teil holt der Osten eine Entwicklung nach. Zum Teil sind die Schulen relativ klein. Träger sind überwiegend die Kirchen.
Wo setzen die Kultusminister neue Prioritäten?
Bei der Lehrerausbildung. Sie wollen dafür 500 Millionen Euro innerhalb von zehn Jahren ausgeben. Die Hälfte der Lehrer ist über 50 Jahre alt. Man hofft nicht zuletzt auf mehr Pädagogen mit Migrationshintergrund. Denn sie sind bisher deutlich unterrepräsentiert.
Wo gibt es Versäumnisse?
Das Potenzial der Ganztagsschulen werde „zu wenig ausgeschöpft“. Jeder fünfte Schüler ist ein schwacher Leser. 3,4 Prozent der Kinder werden direkt in eine Förderschule eingeschult. Es gibt einen Sockel an Bildungsverlierern, vor allem unter Migrantenkindern.
Was sind Risikofaktoren?
Wenn beide Eltern arbeitslos sind, spricht man von einem sozialen Risiko. Wenn das Einkommen der Familie unter der Armutsgrenze liegt, wird eine finanzielle Risikolage angenommen. Haben weder die Mutter noch der Vater einen Berufsabschluss oder Abitur gemacht, gilt das Elternhaus als bildungsfern. In Nordrhein-Westfalen wird jeder dritte Schüler mindestens einer dieser drei Risikogruppen zugerechnet.
Was sagen die Bildungsminister?
Sie fühlen sich bestätigt, weil das Bildungsniveau gestiegen ist und das Schulsystem durchlässiger, flexibler geworden ist. Das war das Ziel der Reformen der letzten Jahre. Neu am Bildungsbericht ist die Untersuchung der kulturellen, musischen Ausbildung. Über alle Altersstufen hinweg stellten die Forscher ein großes Interesse daran fest: Nahezu alle Kinder malen, basteln und musizieren gern. Insbesondere die Ganztagsschulen gelten „als wichtiger Lernort für kulturelle Bildung“. Auch in den Familien hat das Vorlesen und Singen hohe Bedeutung.