Berlin. . Führende deutsche Bildungsforscher machen Front gegen das geplante Betreuungsgeld. Laut dem aktuellen Bildungsbericht gefährdet das Projekt der Bundesregierung den Ausbau der Kita-Betreuung. Sie sehen noch weitere Hürden.
Das geplante Betreuungsgeld gefährdet nach Ansicht führender deutscher Bildungsforscher den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Es bestehe die Gefahr, dass durch zusätzliche Leistungen wie dem Betreuungsgeld keines der angestrebten Ziele „zufriedenstellend“ realisiert werden könne, heißt es in dem neuen Bildungsbericht von Bund und Ländern. Das Angebot an Betreuungsplätzen muss demnach noch massiv ausgebaut werden.
Der Bildungsbericht, der der Nachrichtenagentur AFP vorlag, soll am Freitag offiziell vorgestellt werden. Er wurde im Auftrag von Bund und Ländern von einer unabhängigen Wissenschaftlergruppe unter Leitung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) erarbeitet. Der Bericht geht auch ausführlich auf den Ausbau des Betreuungsangebots für unter Dreijährige ein. Dabei wird die Zeit knapp, weil ab August 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Platz für Ein- und Zweijährige besteht.
Qualifiziertes Personal für Kitas fehlt
Bund, Länder und Kommunen müssten ihre aktuellen Ausbaubemühungen im Vergleich zu den Vorjahren nochmals „massiv“ steigern, „um ein bedarfsdeckendes Angebot zu schaffen“, heißt es in dem Bericht. Eine zusätzliche Hürde könnte nach Ansicht der Forscher fehlendes qualifiziertes Personal sein. Die Experten mahnten in diesem Zusammenhang auch, die Qualität der Kindertagesbetreuung in den Blick zu nehmen.
Die Forscher hoben zudem grundsätzlich die positiven Effekte der frühkindlichen Bildung hervor. Studien wiesen darauf hin, dass der mehrjährige Besuch einer Kita „bei zuhause weniger geförderten Kindern kompensatorisch wirken kann“. Dies scheine eine wichtige Voraussetzung zu sein, „um durch die Förderung aller Kinder frühzeitig herkunftsbedingte Unterschiede abzubauen“.
Städte fühlen sich überfordert
Auch der Deutsche Städtetag warnte, dass viele Städte noch weit davon entfernt seien, den Rechtsanspruch auf einen Platz für unter Dreijährige zu erfüllen. „Wir haben große Zweifel, dass der Rechtsanspruch im Sommer 2013 durchgängig zu erfüllen ist“, erklärte der amtierende Städtetagspräsident, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). In zahlreichen größeren Städten würden voraussichtlich 50 oder sogar 60 Prozent der Eltern für ihre Kinder unter drei Jahren Plätze beanspruchen.
Die Bundesregierung hält derweil trotz der Kritik der Forscher an dem Betreuungsgeld fest. Der Bildungsbericht gebe „nicht die Meinung der Bundesregierung“ wieder, sagte ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums. Die Regierung mache sich diese Kritik ausdrücklich „nicht zu eigen“.
„Dieser Bildungsbericht ist kein Gutachten über das Betreuungsgeld“
Der Ministeriumssprecher verwies zudem darauf, dass „nur ein einziger Satz“ des umfassenden Berichts auf das Betreuungsgeld eingehe. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) stehe nach wie vor zu dem Vorhaben. Vizeregierungssprecher Georg Streiter sagte, „dieser Bildungsbericht ist kein Gutachten über das Betreuungsgeld“, sondern eine Bestandsaufnahme der Bildungspolitik.
Die Pläne zum Betreuungsgeld sehen vor, dass Eltern, die ihre Kinder im zweiten Lebensjahr nicht in einer öffentlichen Kita betreuen lassen, ab Januar kommenden Jahres 100 Euro Betreuungsgeld erhalten. 2014 soll die Leistung dann auf 150 Euro erhöht und auf Kinder im dritten Lebensjahr ausgeweitet werden. Die vor allem von der CSU vorangetriebenen Pläne sind auch innerhalb der Koalition umstritten. Die Opposition lehnt die Familienleistung vehement ab. (afp)