Athen. . Der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro ist mit der Wahl am Sonntag zunächst gebannt. Doch Wahlsieger Antonis Samaras muss nun schnell eine handlungsfähige Regierung bilden. Denn die Probleme des Landes sind nicht kleiner geworden. Was jetzt zu tun ist - eine Analyse.

“Regierung der nationalen Rettung“, “Regierung der nationalen Verantwortung“: einen gemeinsamen Namen für ihr Projekt haben der konservative griechische Wahlsieger Antonis Samaras und der sozialistische Parteichef Evangelos Venizelos noch nicht gefunden. Aber immerhin scheint ihnen klar zu sein, dass sie in dieser verzweifelten Lage des Landes an einem Strick ziehen müssen. Zumindest arithmetisch geht die Rechnung auf, beide Parteien haben zusammen 162 der 300 Mandate im neuen Parlament. Aber wie sieht es politisch aus?

Konsens ist kein griechisches Wort. Das Wahlrecht ist bisher darauf angelegt, der stärksten Partei die absolute Mehrheit zu geben. Das funktionierte fast vier Jahrzehnte lang: Sozialisten und Konservative regierten abwechselnd das Land, mit den bekannten Folgen: Klientelwirtschaft und Korruption blühten, die politische Kultur verwahrloste, nun steht Griechenland vor der Pleite.

Dass sich jetzt ausgerechnet diese beiden Parteien anschicken, das Land mit vereinten Kräften zu retten, ist eine Ironie der Geschichte. In diesem angestrebten Regierungsbündnis liegt das Risiko des Scheiterns, denn Samaras und Venizelos repräsentieren die alte politische Klasse, der viele Griechen inzwischen zutiefst misstrauen.

Staatsbankrott droht nach wie vor

Das bekam vor allem Venizelos zu spüren, dessen Pasok noch bei der Wahl von 2009 mit 44 Prozent einen triumphalen Sieg errungen hatte, um jetzt mit kläglichen 12,3 Prozent auf dem dritten Platz zu landen. Das war die Strafe für zweieinhalb Jahre Sparkurs, den die Pasok anfangs allein, zuletzt gemeinsam mit der ND und dem parteilosen Übergangspremier Lucas Papademos steuerte.

Kein Wunder, dass Venizelos jetzt zögert. Er möchte die Regierungsverantwortung auf möglichst viele Schultern verteilen, hätte am liebsten auch das radikale Linksbündnis Syriza mit in eine Koalition geholt. Doch dessen Chef Alexis Tsipras winkte bereits ab, er will Opposition machen. Das ist in einer Krise nämlich leichter als zu regieren. Vielleicht sehen das auch manche Pasok-Abgeordnete so. Venizelos könnte deshalb Schwierigkeiten bekommen, seine Partei zu einer Regierungsbeteiligung zu motivieren.

Trotzdem gibt es für die Pasok gute Gründe, jetzt eine Koalition mit der ND zu bilden, die möglicherweise auch die kleine, pro-europäische Demokratische Linke mit ihren 17 Abgeordneten einschließen könnte. Der erste Grund: Griechenland braucht dringend eine handlungsfähige Regierung, ein nochmaliges Scheitern der Koalitionsgespräche und ein dritter Wahlgang würden den sicheren Staatsbankrott bedeuten. Der zweite Grund: Eine solche Koalition bietet eine Chance zur Läuterung und Erneuerung der beiden angeschlagenen Traditionsparteien - dann nämlich, wenn sie zeigen, dass sie mit den Problemen entschlossen und verantwortungsvoll umgehen.

Bald Freigabe der Kreditrate?

Die Gefahr eines „Grexit“, eines ungeordneten Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion, scheint zunächst gebannt. Aber die neue Regierung steht vor unmittelbaren, großen Herausforderungen, wenn sie das weiter bestehende Risiko eines finanziellen Zusammenbruchs minimieren will.

Im Juli wird der griechische Staat keine Renten und Gehälter mehr zahlen können, wenn die EU bis dahin keine neuen Kreditraten auszahlt. Voraussetzung dafür ist eine Inspektion der Troika, die in Athen zumindest die Hoffnung gewinnen muss, dass die verschleppten Strukturreformen, die auf Eis gelegten Privatisierungen und die vernachlässigte Haushaltskonsolidierung wieder in Gang kommen. Je schneller jetzt eine neue griechische Regierung gebildet wird, desto rascher kann die Troika anreisen - möglicherweise schon in dieser Woche, heißt es in Brüssel.

Damit eröffnet sich für Griechenland die Hoffnung auf eine Freigabe der im Mai zurückgehaltenen Kreditrate von einer Milliarde Euro - Geld, das der Athener Finanzminister für den Haushalt jetzt dringender denn je braucht.

In einer zweiten Phase der Troika-Verhandlungen wird es um die anderen großen Aufgaben gehen, die auf der Agenda der künftigen Athener Regierung stehen: die Rekapitalisierung der angeschlagenen Banken und die Finanzplanung der Jahre 2013 und 2014, in denen Griechenland weitere 11,7 Milliarden Euro einsparen soll. So sieht es die bisherige Planung vor.

Mehr Zeit für Haushaltssanierung

Dass die Griechen die Vorgabe erfüllen können, ohne ihre rezessionsgeplagte Realwirtschaft völlig abzuwürgen, ist aber schwer vorstellbar. Inzwischen hat nach Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker auch Außenminister Guido Westerwelle die Bereitschaft signalisiert, den Griechen mehr Zeit für die Haushaltskonsolidierung zu geben. Die Weichen für eine solche Kurskorrektur könnten in zehn Tagen auf dem EU-Gipfel gestellt werden.

Auch deshalb ist es wichtig, dass Samaras in Athen jetzt schnell eine Koalition zusammenbekommt. Mit der Wahl vom Sonntag hat sich Griechenland eine Atempause verschafft. Aber nur eine kurze.