Athen.
Bei der griechischen Schicksalswahl zum Euro haben die konservativen Spar-Befürworter am Sonntag amtlichen Hochrechnungen zufolge knapp die Führung errungen. Die konservative Nea Dimokratia (ND) kam demnach auf 29,5 Prozent der Stimmen und könnte damit ein Regierungsbündnis mit der sozialistischen Pasok bilden, wie das Innenministerium in Athen mitteilte. An zweiter Stelle lag mit 27,1 Prozent das radikale Links-Bündnis Syriza, das im Falle eines Wahlsiegs die Sparauflagen des Euro-Rettungspakets kippen will. Dies könnte den Bankrott und Euro-Austritt der Griechen bedeuten, wenn die anderen Staaten dem hochverschuldeten Land den Geldhahn zudrehen.
Die Pasok hat kurz nach der Wahl zur Bildung einer Regierung aus allen großen Parteien einschließlich des radikalen Linksbündnisses Syriza aufgerufen. Pasok-Chef Evangelos Venizelos fürchtet offenbar, dass die Kraft der Linken wächst, wenn Pasok und Konservative den Sparkurs ohne die Einbindung von Syriza weiter verfolgen.
Westerwelle signalisiert Bereitschaft zu Lockerung der Auflagen
Bundesaußenminister Guido Westerwelle signalisierte der neuen Regierung am Sonntagabend Entgegenkommen beim Zeitplan für die Umsetzung der Sparauflagen. Entscheidend sei, dass nun eine pro-europäische Regierung in Athen gebildet werde, die nicht alle Vereinbarungen infrage stelle, sagte er in der ARD. Der Vorsitzende der ND, Antonis Samaras, fordert zwei Jahre mehr Zeit, um die Auflagen umzusetzen.
Für den Fall eines Wahlsiegs der Reformgegner waren schwere Verwerfungen an den Finanzmärkten befürchtet worden. Von Tokio bis London hielten sich die Zentralbanken nach Informationen von Reuters bereit, um bei Bedarf Geld in den Markt zu pumpen und Turbulenzen abzufedern. Als Notfallmaßnahme wurde zudem darüber nachgedacht, die Summe der Abhebungen an Geldautomaten zu beschränken, Grenzkontrollen einzurichten und den Kapitalverkehr in der Euro-Zone zu kontrollieren.
Klare Absage Merkels gegen Syriza-Forderungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Plänen des 37-jährigen Syriza-Chefs Alexis Tsipras am Samstag eine klare Absage erteilt. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die sich nicht an Abmachungen hielten, jeden anderen "am Nasenring durch die Manege führen", erklärte sie. Andere Politiker machten deutlich, inhaltlich gebe es keinen Verhandlungsspielraum, aber bei der Umsetzung sei Flexibilität möglich. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir über Zeitachsen reden vor dem Hintergrund des Stillstandes in Griechenland in den vergangenen Wochen", sagte Westerwelle.
Das Wahlergebnis in Griechenland wird auch den G20-Gipfel am Montag und Dienstag in Mexiko beherrschen. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangen von der neuen griechischen Regierung, dass sie die harten Sparauflagen des im März vereinbarten Rettungspakets über 130 Milliarden Euro akzeptiert. Andernfalls soll dem Land der Geldhahn abgedreht werden. Zwar bekennen sich alle großen griechischen Parteien zu der Gemeinschaftswährung. Tsipras will im Falle eines Wahlsiegs aber die Bedingungen für die Finanzhilfen kippen. Er setzt darauf, dass die anderen Euro-Staaten die Schockwellen an den Finanzmärkten nicht riskieren werden, die ein Austritt der Griechen aus der Euro-Zone nach sich ziehen dürfte.
Tsipras hatte in den vergangenen Wochen einen kometenhaften Aufstieg hingelegt, nachdem die Politik jahrzehntelang von den beiden großen Parteien - der sozialistischen Pasok und der konservativen Neue Demokratie - dominiert worden war. Der Neueinsteiger punktete bei den leidgeplagten Griechen, die durch fünf Jahre tiefe Rezession sowie die steigende Steuerlast und scharfe Einschnitte bei den Sozialausgaben zermürbt sind. Viele Wähler im Mutterland der Demokratie sind wütend auf die etablierten Parteien, die sie für jahrzehntelange Korruption und Verschwendung, die ruinierte Wirtschaft und eine der höchsten Schuldenlasten der Welt verantwortlich machen.
"Wir haben keine Alternative"
"Ich bin das erste Mal nach einer Wahl deprimiert, weil ich weiß, dass ich wieder für die gestimmt habe, die das Problem verursacht haben; aber wir haben keine Alternative", sagte die 66-jährige Englischlehrerin Koula Louizopoulou. Trotz der Unzufriedenheit über die harten Sparmaßnahmen haben viele Griechen Angst vor einem Euro-Aus. "Ich habe schweren Herzens für eine Partei gestimmt, die den Sparkurs unterstützt, denn ich will, dass das Land den Euro behält mit der Hilfe seiner europäischen Partner", erklärte der Bäcker Stratos Economou.
Selbst wenn die Konservativen siegreich aus der Wahl hervorgehen, werden sie ein Land am Rande des Bankrotts übernehmen und gegen heftige Proteste des Syriza-Bündnisses anregieren müssen. Die griechische Gesellschaft steckt im tiefsten Umbruch seit dem Sturz der Militärdiktatur im Jahr 1974. Auf den Straßen im Zentrum Athens sind deutlich die Spuren der Straßenschlachten der vergangenen Monate zu sehen, einigen Krankenhäusern gehen lebenswichtige Medikament aus. Berichte über Selbstmorde aus Verzweiflung über die Krise sind zur Routine geworden. Einige internationale Konzerne und Banken sind wie Europas größte Supermarktkette Carrefour bereits auf dem Rückzug aus dem Land.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von sechs Wochen, dass die griechische Bevölkerung zur Wahl eines neues Parlaments aufgerufen war. Nach der ersten Abstimmung am 6. Mai hatten sich die Parteien nicht auf eine Regierungskoalition verständigen können. (rtr)