Berlin. Nach dem Eklat im Bundestag wird der Streit um das Betreuungsgeld offenbar zur Zerreißprobe für die schwarz-gelbe Koalition. CSU-Chef Seehofer droht mit einem Scheitern der Koalition, falls das Betreuungsgeld nicht eingeführt wird. Ärger löste auch FDP-Chef Röslers Forderung nach Änderungen am Gesetzentwurf aus.
Der Streit um das Betreuungsgeld könnte nach dem Rückschlag im Bundestag zur Zerreißprobe für die schwarz-gelbe Koalition werden. CSU-Chef Horst Seehofer drohte nach einer Krisensitzung der CSU-Parteispitze am Wochenende mit einem Scheitern der Koalition, falls das Betreuungsgeld nicht eingeführt wird. FDP-Chef Philipp Rösler sorgte mit der Forderung nach Änderungen an dem Gesetzentwurf für weiteren Ärger in der CSU.
Die Einführung des von der Opposition abgelehnten und auch bei Schwarz-Gelb umstrittenen Betreuungsgeldes kann nicht mehr wie zunächst geplant vor der Sommerpause verabschiedet werden, weil die erste Lesung im Bundestag am Freitag wegen einer zu geringen Anwesenheit von Abgeordneten abgebrochen werden musste.
Die CSU-Führung debattierte nach einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios am Samstag in Schrobenhausen über die neue Lage. Danach erhöhte Seehofer den Druck auf seine Koalitionspartner: „Ich sage auch im Auftrag meiner ganzen Partei: Die CSU würde ein Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen. Und die Stimmen der CSU sind in dieser Koalition notwendig“, sagte er der ARD.
CSU regt sich über Röslers Diskussions-Vorschlag auf
Für Unmut sorgten in der CSU neue Äußerungen von FDP-Chef Rösler. Rösler schlug vor, die durch die Verschiebung des Bundestagsvotums gewonnene Zeit für eine weitere Diskussion um das Betreuungsgeld zu nutzen. Union und FDP sollten nun „in Ruhe darüber sprechen, welche Veränderungen noch notwendig sind“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Sein Ziel sei dabei, „dass wir ein Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld vermeiden“. Er könne sich auch ein Gutschein-Modell vorstellen.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt reagierte verärgert auf Röslers Äußerungen. „Das löst bei uns schon ein Befremden aus, dass mit Herrn Rösler gerade derjenige aus der FDP, der im letzten Koalitionsausschuss das Betreuungsgeld verhandelt und abgesegnet hat, jetzt von Änderungen spricht“, sagte Dobrindt der „Welt am Sonntag“. Er wünsche sich von der FDP „mehr Geradlinigkeit und Vertragstreue“.
Im Gegenzug warf FDP-Generalsekretär Patrick Döring Dobrindt ein „seltsames Politikverständnis“ vor. Der Bundestag mache die Gesetze, nicht etwa Rösler, Seehofer oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sagte Döring der Zeitung „Die Welt“ (Montagsausgabe). Zudem stehe auch im Koalitionsvertrag, dass beim Betreuungsgeld ein Gutschein-Modell enthalten sei.
Cornelia Pieper (FDP): Betreuungsgeld ist „unverantwortlich“
Indes kündigte FDP-Vorstandsmitglied Cornelia Pieper an, das Betreuungsgeld in der jetzigen Form im Bundestag abzulehnen. Es sei „aus haushalts- und bildungspolitischer Sicht unverantwortlich“, sagte Pieper dem „Focus“. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters schlug dem Magazin gegenüber vor, „den Ländern freizustellen, ob sie das Betreuungsgeld einführen möchten“.
Zur Drohung Seehofers mit dem Koalitionsbruch erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, „der bayerische Löwe brüllt, weil ihm die Felle davonschwimmen“. Oppermann forderte die Koalition auf, den Gesetzentwurf ganz zurückzuziehen und im Herbst einen Neuanfang der Debatte um die Kinderbetreuung zu machen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nannte Seehofers Drohung „albern und abwegig“. Der CSU bleibe offenbar „nur das Mittel der Erpressung“. (afp)