Berlin. . Noch gibt es das Betreuungsgeld nicht, aber es erfreut sich bereits einer stattlichen Anzahl spöttischer Beinamen. So wird es wahlweise als Herdprämie, Fernhalte- oder gar Verdummungsprämie geschmäht. Beim Talk bei Günther Jauch offenbarten sich zudem die inhaltlichen Schwächen des Konzepts.

Alexander Dobrindt hatte es wahrlich nicht leicht. Am Sonntagabend saß der CSU-Generalsekretär vor einem Millionenpublikum beim Jauch´schen Polit-Talk im Ersten Deutschen Fernsehen und versuchte allein auf weiter Flur das Betreuungsgeld als familienpolitisches Erfolgskonzept zu verkaufen. Und ja: Fast war man geneigt, mit dem CSU-Mann mit der neumodischen Nerdbrille ein wenig mitzuleiden.

So als wäre nicht bereits hinlänglich bekannt, dass das Konzept über alle Parteigrenzen hinweg einen höchst umstrittenen Ruf genießt, versuchte Dobrindt das Betreuungsgeld als großen Wurf zu preisen. Mit dem Elterngeld, dem Betreuungsgeld und dem ebenfalls 2013 in Kraft tretenden individuellen Rechtsanspruch auf Kita-Plätze seien für sämtliche Familienmodelle die entsprechenden familienpolitischen Konzepte entwickelt worden, sagte Dobrindt.

„Sozialpolitische Schweinerei“

Die Familien müssten jetzt nur noch aus diesem „fulminanten“ Angebot die für sie passende Wahl treffen, wollte der CSU-Mann den Zuschauern weismachen – verschwieg dabei aber, dass „gut gemeint“ nicht auch automatisch „gut gemacht“ bedeutet. Diese Aufgabe fiel vielmehr seinen Mitdiskutanten unter Führung der mecklenburg-vorpommerischen Arbeits – und Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) sowie dem Sozialwissenschaftler Stefan Sell zu.

Und die Kritik war durchaus scharf. So nannte Sell den Umstand, dass das Betreuungsgeld auf Hartz IV angerechnet werden soll, eine „sozialpolitische Schweinerei“ und sprach von einer drohenden „Kindeswohlgefährdung“, wenn aufgrund überhasteter Eile eine große Anzahl von Krippenplätzen möglichst billig aus dem Boden gestampft werden solle. In erster Linie sollten in Sachen Kinderbetreuung Qualitätsstandards Vorrang vor Aktionismus haben, sagte der Wissenschaftler.

Billig aus teurem Ausbau herauskaufen

Die Journalistin Gabi Bauer sprach von „Mitnahmeeffekten“ bei Familien aus der Mittelschicht und verwies damit indirekt auf die Tatssache, dass in gewissen Kreisen eine Prämie in Höhe von 150 Euro keinen sonderlichen Zusatzanreiz für Eltern böten, ihre Kinder „daheim“ zu erziehen. Dobrindt hingegen sagte, „die wertvolle Erziehungsarbeit von Eltern muss dem Staat auch viel wert sein.“

Den Vorwurf der SPD-Frau Schwesig, die Regierung versuche sich so „billig“ aus dem teureren Ausbau des flächendeckenden Kita-Angebots herauszukaufen, konnte Dobrindt allerdings nur mit parteipolitischer Polemik parieren, indem er die rot-grüne NRW-Landesregierung kritsierte, die beim Kita-Ausbau das Schlusslicht in Deutschland bildet.

E-Mail-Flut zum Thema

Wirklich überzeugen konnte Dobrindt mit seinen Verteidigungsversuchen nicht. Zu übermächtig, weil schlicht einleuchtend, erschienen die Argumente gegen das Betreuungsgeld. Die Debatte um diese Prämie entlarvt im Kern eine ganz andere Problematik, nämlich die von der Politik in der Vergangenheit sträflich vernachlässigte „Work-Life-Balance“. Wo, wie und von wem die Kinderbetreuung und -erziehung verwirklicht wird, ist eigentlich nur im Kontext der Situation des Arbeitsmarktes zu diskutieren.

So wie sich in der Vergangenheit das tradierte Familenmodell mit dem Vater als Familienoberhaupt und Ernährer sowie der Mutter als Hausfrau und Erzieherin aufgelöst oder zumindest ausdifferenziert hat, hat sich auch der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gewandelt. Die Aspekte Zeit und Lohn sind mit der Familiendebatte eng verbunden.

Dies jedoch wurde in der Jauch-Runde nicht thematisiert. Stattdessen beharkten sich Dobrindt und Schwesig in parteipolitischen Scharmützeln, die zumindest offenbarten, dass zwischen CDU und SPD durchaus noch programmatische Unterschiede auszumachen sind. Insofern ein gutes Zeichen, das vom Jauch-Talk ausging. Ebenfalls ein gutes Zeichen war die Anzahl der E-Mails, die während der Sendung eingingen. Rund 800 Zuschauer brachten sich ein, laut Jauch Rekordniveau. Zumindest lässt sich daran gut ablesen, wie bedeutsam diese gesellschaftliche Debatte um die Frage der Kinderbetreuung ist.