Berlin. “Schäbig“, “demokratiezersetzend“, “dreckiges Foulspiel“: Die Union wirft der Opposition den Missbrauch parlamentarischer Regeln vor, um das umstrittene Betreuungsgeld zu verzögern. Jetzt will - oder kann - die Unionsfraktion das Betreuungsgeld erst nach der Sommerpause im Bundestag verabschieden. Wegen zu wenig Abgeordneten im Plenarsaal musste eine Bundestagssitzung überraschend abgebrochen werden.

Mit scharfen Vorwürfen an die Opposition haben Politiker von Union und FDP auf den Abbruch der Bundestagssitzung reagiert. Die Oppositionsparteien hätten absichtlich mit einem "kleinen dreckigen Foulspiel" bewirkt, dass die Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen werden musste, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Freitag in Berlin. Damit sei ein "Gefrierpunkt der demokratischen Kultur erreicht".

CSU-Chef Horst Seehofer hat das Vorgehen der Opposition im Zusammenhang mit dem umstrittenen Betreuungsgeld als "demokratiezersetzendes" Verhalten bewertet. Der bayerische Ministerpräsident sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagausgabe): "So etwas schadet dem Parlament."

Gröhe bezeichnet Verhalten der Opposition als "schäbig"

Die Unionsfraktion will das Gesetz über das Betreuungsgeld jetzt erst nach der Sommerpause im Bundestag verabschieden. Das sagte ein Fraktionssprecher am Freitag in Berlin. Die erste Lesung solle in der nächsten Sitzungswoche, der letzten Juniwoche, stattfinden.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einem "beispiellosen ungeheuerlichen Vorgang". Die Abgeordneten der Opposition hätten sich mit Vorsatz vom Plenarsaal ferngehalten, um die Beschlussunfähigkeit wegen mangelnder Teilnahme herbeizuführen. Gröhe bezeichnete dieses Verhalten als "schäbig". Es zeige, "wie tief die Opposition gesunken ist".

FDP-Fraktion spricht von "Parlamentsboykott"

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Staffeldt sprach von "schmutzigen Tricks". Die Opposition habe mit Verfahrentricks die Arbeit des Parlaments verhindert. Dies sei ein "Affront". CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt etwa nannte es beschämend, dass die Opposition mit "Geschäftsordnungstricks" eine wichtige familienpolitische Debatte im Bundestag verhindert habe.

Aus der FDP-Fraktion hieß es, die Verweigerung komme einem "Parlamentsboykott der Opposition" gleich. Dies sei ein unwürdiges Spiel.

Petra Pau hatte Bundestagssitzung abgebrochen

Was war passiert? Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) hatte zuvor die Sitzung außerplanmäßig beendet. Grund dafür war, dass nicht genügend Abgeordnete anwesend waren. Damit kann die geplante erste Lesung des umstrittenen Betreuungsgeldes, die für Freitagmittag angesetzt war, nicht stattfinden.

Vorausgegangen war die Abstimmung über ein anderes Gesetz. Die schließlich von der Opposition geforderte Stimmzählung durch den sogenannten Hammelsprung - bei dem die Abgeordneten je nach Stimmverhalten durch verschiedene Türen hereinkommen - hatte die Teilnahme von zu wenig Abgeordneten ergeben.

Oppermann (SPD): 126 Abgeordnete der Koalition sollen gefehlt haben

Es hätten dabei fast die Hälfte der Abgeordneten der Koalition gefehlt, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Er sprach von 126 Abgeordneten.

Insgesamt stellen Union und FDP mit 430 Abgeordneten die Mehrheit im Bundestag. "Wenn 126 Abgeordnete an der Abstimmung nicht teilgenommen haben, dann ist das ein stummer Protest der Regierungsabgeordneten gegen das Betreuungsgeld", sagte er. (afp/dapd/rtr)