Berlin. Riesenüberraschung: Weil zu wenig Abgeordnete anwesend waren, ist die Bundestagsitzung, in der über das umstrittene Betreuungsgeld debattiert werden sollte, außerplanmäßig beendet worden. Opposition sowie Union und FDP spielen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Die Sitzung zum umstrittenen Betreuungsgeld ist im Parlament vorerst gestoppt worden. Vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfes am Freitagnachmittag wurde die Sitzung des Bundestages wegen Beschlussunfähigkeit beendet. Der Bundestag teilte mit, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau habe die Plenarsitzung beendet, weil das Plenum nicht beschlussfähig war. Um beschlussfähig zu sein, müssen im Bundestag mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend sein. Die Abgeordneten sollten per "Hammelsprung" über einen Antrag der von SPD und Grünen zum Wettbewerbsrecht befinden. Aus der Opposition hieß es, es seien zahlreiche Parlamentarier von Union und FDP nicht anwesend gewesen.
Keine Sondersitzung des Bundestages kommende Woche
Der Bundestag wird kommende Woche keine Sondersitzung einlegen, um in erster Lesung über das Betreuungsgeld zu beraten. Das sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann. Auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte, in der Sitzung des Ältestenrates sei von der Koalition kein solcher Antrag gestellt worden.
Damit verzögern sich die parlamentarischen Beratungen über das Betreuungsgeld. Vor der Sommerpause gibt es nur noch eine Sitzungswoche Ende Juni, in der die erste Lesung stattfinden könnte. Zur Verabschiedung käme noch die erste Juli-Woche in Frage. Diese Woche war im Bundestagsplan als Reserve eingeplant, aber bereits vor Monaten abgesetzt worden. Würde man diese nun erneut ansetzen für das Betreuungsgeld, müsste es dafür nach Angaben des Bundestages Einvernehmen zwischen Koalition und Opposition geben.
Das Betreuungsgeld für ein- und zweijährige Kinder, die privat betreut werden, ist in der Koalition stark umstritten. Vor allem die CSU besteht auf der Einführung der Bargeldleistung ab dem kommenden Jahr.
Künast: "Zerrissenheit und Handlungsunfähigkeit" der Koalition
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Die schwarz-gelbe Koalition hat heute für ihre eigene Politik nicht genug Gewicht auf die Waage gebracht. Das zeigt ihre ganze Zerrissenheit und Handlungsunfähigkeit." Die Koalition habe jetzt Zeit, zu klären, ob sie lieber Milliarden in ihre Ideologie oder in die Schaffung guter Kita-Plätze stecken wolle.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf der SPD vor, sie habe den "absoluten Gefrierpunkt demokratischer Unkultur erreicht". Dobrindt sprach von "miesen Tricks", die in deutschen Parlamenten nichts verloren hätten. "Diese Feigheit der SPD ist eine Schande für die Demokratie", kritisierte Dobrindt.
Auch die FDP machte die Oppositionsparteien dafür verantwortlich, dass die Debatte über das Betreuungsgeld zunächst gescheitert ist: "Die Verweigerung der Abstimmung kommt einem Parlamentsboykott der Opposition gleich", hieß es in FDP-Kreisen. (dapd)