Essen. . Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz zum Betreuungsgeld verabschiedet werden. Damit geht ein langer Weg durch die Niederungen der Politik zu Ende, denn eigentlich will kaum einer die neue Familienleistung, mit der Eltern belohnt werden, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen.
Es ist ein Gesetz, das (fast) keiner will, aber aus dem die Beteiligten nicht mehr herausfinden: Heute berät in erster Lesung der Bundestag über das Betreuungsgeld, wonach Mütter mit 150 Euro monatlich unterstützt werden sollen, wenn sie ihr Kleinkind nicht in einer öffentlichen Kita, sondern zu Hause erziehen. Wird es wie erwartet noch vor der Sommerpause verabschiedet, könnte es als Paradebeispiel für fehlgeleitete Politik an der schwarz-gelben Koalition kleben bleiben.
Seit Monaten ist Angela Merkel damit beschäftigt, die Gemüter zu beruhigen. Die Abweichlerinnen in der CDU, die scharfen Kritiker in der FDP halten dieses ungeliebte Thema am Köcheln, statt einfach mal der Koalition Ruhe zu gönnen. Nur die CSU steht geschlossen hinter dem Vorhaben.
Familien wollen kein Geld. Sie wollen Kita-Plätze
Es ist Rita Pawelksi von der CDU, die als Frontfrau der Gegenbewegung betont, das Geld gehöre in den Krippenausbau. Zitiert werden auch immer wieder neue Studien, wonach ausgerechnet Kinder aus sozial schwachen Familien vom Krippenbesuch abgehalten würden. Schließlich sind da noch die Umfragen, die belegen: Die Familien wollen gar kein Geld. Sie wollen Kitaplätze, Aufstiegschancen für Frauen, flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten.
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Inzwischen wächst die Unruhe innerhalb der Koalition: Der Schuss könnte nach hinten los gehen, wenn nun die Familien das Milliardengeschenk an sie gar nicht zu würdigen wissen. Tatsächlich ist die Angst groß, dass der Begriff „Herdprämie“ nicht tot zu kriegen ist und weiterhin Mütter im Kleinkinderstress diffamiert.
„Betreuungsgeld kann zweite Hotelsteuer werden“
Dass die Wähler so etwas nicht vergessen, zeigt eine der ersten Amtshandlungen der schwarz-gelben Koalition: die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers. Schnell war der Begriff „Mövenpick-Steuer“ gefunden; seitdem geht es für die FDP bergab. Nun zitiert der „Tagesspiegel“ einen nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten: „Das Betreuungsgeld wird zur zweiten Hotelsteuer für uns werden.“
Vielleicht könnten die Folgen noch viel nachhaltiger sein: Schließlich ist das Betreuungsgeld seit 2007 ein Thema. Damals erkaufte sich Ursula von der Leyen die Zustimmung der CSU zum Kita-Ausbau. Den Begriff „Herdprämie“ kürten Sprachexperten 2008 zum Unwort des Jahres.
Auch Merkel weiß: Mit dem Thema ist wenig zu gewinnen
Inoffiziell hieß es damals, es handele sich um eine reine Beruhigungspille für die Schwesterpartei, irgendwann werde die Idee schon wieder eingestampft. Doch 2010 landete sie im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung – die CSU ließ nicht locker.
Angela Merkel scheint längst zu ahnen, dass mit dem Thema wenig zu gewinnen ist. Sie will es vor der Sommerpause loswerden, also peitscht sie Lesungen im Bundestag und Expertenanhörungen in drei Wochen durch.
Nun können alle ihr Gesicht wahren
Und dann? Wird wohl das Gesetz zum Betreuungsgeld kommen. Ein wenig wird noch herumgedoktert mit der Koppelung an verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen (U6 und U7). Oder mit einem finanziellen Ausgleich, wenn nur Teilzeit-Krippenplätze in Anspruch genommen werden.
Als realistisch gilt auch die Möglichkeit, das Betreuungsgeld in die Riester-Rente einzuzahlen und dafür einen staatlichen Bonus zu bekommen. Angela Merkel jedenfalls gibt sich seit Donnerstag offen für Änderungen, und auch die Kritiker sind optimistisch. So erklärt Rita Pawelski nach dem knapp einstündigen Treffen mit der Kanzlerin: „Ich bin guter Hoffnung, dass das Gesetz so verändert wird, dass sich alle dahinter stellen können“.
Anders gesagt: Alle werden das Gesicht wahren können. Insofern ist der Kuhhandel gelungen.