Berlin. . Die SPD-Troika Gabriel, Steinbrück und Steinmeier besuchte den Präsidenten François Hollande. Merkel befürchtet nun den Druck eines starken sozialdemokratischen Bündnisses zwischen Deutschland und Frankreich und lenkt beim Ringen um die Bedingungen für den Fiskalpakt ein.

Das wichtigste Ergebnis ihrer Reise nach Paris feiert die SPD-Troika, bevor es überhaupt losgeht: Kurz vor dem Abflug nach Frankreich lenkt die Bundesregierung im Streit um die Finanzmarktsteuer ein. Schon in einer Woche will sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im EU-Ministerrat für die Einführung der Steuer notfalls auch in wenigen Mitgliedsstaaten einsetzen. „Das Wort der Regierung gilt“, verspricht Angela Merkel in der neuen Spitzenrunde zum Fiskalpakt im Kanzleramt – und die SPD-Spitze triumphiert.

Merkel weiß, wann es Zeit ist beizudrehen. Sie kommt dem Druck eines neuen sozialdemokratischen Bündnisses zwischen Berlin und Paris zuvor. Denn schon eine Stunde nach dem Spitzentreffen bei Merkel sitzen SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück im Flugzeug nach Paris, am Nachmittag empfängt sie dort Frankreichs neuer Präsident François Hollande. Das Gespräch dauert nur eine Stunde, eigentlich hat Hollande im Endspurt des Parlaments-Wahlkampf anderes zu tun, aber es ist eine Demonstration.

Ein französischer Staatschef empfängt sonst nie Parteipolitiker ohne Staatsamt im Élysée-Palast, für die Berliner Genossen bricht Hollande mit der Tradition. Und: Die drei potenziellen Kanzlerkandidaten kommen, bevor die Kanzlerin den Neuen besucht hat – es wirkt wie eine Retourkutsche, in Berlin hatte Merkel Hollande vor seiner Wahl nicht empfangen wollen.

Wechselseitig werden sich SPD und Sozialisten nun bei der Euro-Krisenpolitik unterstützen, auch wenn nicht alle Positionen gleich sind: Beim Thema Eurobonds etwa ist die SPD auf Distanz zu Hollande gegangen. Jetzt geht es um das europäische Wachstumsprogramm, das ein EU-Gipfel Ende Juni beschließen soll sowie die Details der Börsensteuer. Die SPD-Spitze will ausloten, ob die dafür notwendige Zahl von mindestens neun EU-Staaten erreichbar ist: „Wir müssen endlich zu einer Besteuerung der Finanzmärkte kommen“, sagt Steinmeier. Das Treffen in Paris hat das Selbstbewusstsein der SPD-Spitze gestärkt, schon am Vorabend bei der traditionellen Spargelfahrt des pragmatischen Seeheimer Kreises über den Berliner Wannsee sind die Genossen so guter Stimmung wie lange nicht.

„Wir lassen Merkel nicht mehr allein herumfuhrwerken“

„Wir lassen Merkel bei der Euro-Krise nicht mehr allein herumfuhrwerken“, erklärt der SPD-Fraktionschef. Dahinter steckt auch die Sorge, dass Hollande sich über Ergänzungen des Fiskalpakts allein mit Merkel einigen könnte – und die SPD dann im Bundestag zähneknirschend zustimmen müsste.

Doch jetzt läuft es anders: Bei den Gesprächen im Kanzleramt über den Fiskalpakt macht die Regierung gestern deutliche Zugeständnisse. Die Börsensteuer ist praktisch vereinbart, auch wenn klar ist, dass die Einführung sich wohl bis 2014 hinziehen wird. Bei der Ausgestaltung eines europäischen Wachstumsprogramms gibt es noch Differenzen: Die von den Grünen erhobene Forderung nach einem europäischen Schuldentilgungsfonds wird noch nicht erfüllt.

Neue Zuspitzung der Euro-Krise

Beinahe täglich soll jetzt verhandelt werden. Kommt es zur Einigung, was jetzt als sehr wahrscheinlich gilt, könnte der Bundestag am 28. Juni über Fiskalpakt und Rettungsschirm ESM entscheiden.

Die Einigung wird befördert durch die neue Zuspitzung der Euro-Krise. Beim Treffen im Kanzleramt sind sich alle Seiten einig, dass die Lage zunehmend „dramatisch“ ist, zügiges Handeln sei gefragt. Nach Spanien müsse Zypern unter den Rettungsschirm, ein Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone gilt als immer wahrscheinlicher. 30 Milliarden Euro an deutschen Krediten für Griechenland wackeln dann, die SPD fordert schon, Milliarden im Bundeshaushalt als Reserve einzustellen. In der Koalition ist von einem „kritischen Sommer“ die Rede mit Sondersitzungen des Parlaments wegen neuer Euro-Rettungshilfen. „Die Einschläge kommen näher“, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir.