Berlin. . Details gibt es noch nicht, aber die grundsätzliche Einigung steht: Koalition und Opposition haben sich darauf verständigt, eine Börsensteuer auf den Weg zu bringen. In Europa braucht es zum Start demnach nur neun Länder, die mitmachen. Das dürfte kein Problem sein. Die Wirtschaft kündigt Proteste an.

Die Kanzlerin sprach von einem „guten Beitrag für Europa“, SPD-Chef Sigmar Gabriel feierte eine „180-Grad-Wende von Union und FDP“: Mit der Einigung auf Grundzüge einer Börsensteuer ist ein weiteres innenpolitisches Konfliktthema abgeräumt, dafür droht ein massiver Konflikt mit der Wirtschaft. Noch sind viele Details der Finanztransaktionssteuer unklar, aber der Durchbruch ist erreicht: Die Regierung will sich auf EU-Ebene „mit Nachdruck“ für die Steuer nach dem Modell der EU-Kommission einsetzen, auch wenn am Anfang nur ein Teil der 17 Euro-Staaten mitmachen sollte – das hatte die FDP bisher abgelehnt.

Neun Länder müssen mitmachen

„Die SPD hat sich vollständig durchgesetzt“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Vereinbart ist, dass die Besteuerung möglichst alle Finanzinstrumente umfassen soll, also nicht nur den Kauf und Verkauf von Aktien und Anleihen, sondern auch den Handel mit Derivaten, Devisen und Investmentfondsanteilen sowie den Hochfrequenzhandel. Nach dem Modell der EU-Kommission kämen europaweit jährlich 60 Milliarden Euro zusammen. Die Bundesregierung hatte schon mal knapper mit Einnahmen von zwei Milliarden in Deutschland kalkuliert.

Einführung in drei Jahren möglich

Die FDP hat für ihr Einlenken aber „Leitplanken“ zum Schutz für den deutschen Finanzmarkt und Kleinsparer verlangt. Segnet eine Spitzenrunde den Kompromiss am Mittwoch ab, kommt Bewegung in die europäische Debatte: Neun Länder der Euro-Zone würden ausreichen, um die Finanztransaktionssteuer zu starten – so viele werden sich finden. Die Verhandlungen dürften sich hinziehen, dennoch könnte es die Steuer in drei Jahren geben. Kurzfristig ist die Zustimmung von SPD und Grünen zum Fiskalpakt ziemlich sicher, auch wenn beide noch Zugeständnisse bei weiteren Fragen fordern. Aber auch da ist Merkel beweglich: Sie setzt alles daran, den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause durch Bundestag und -rat zu bringen.

Zustimmung zum Fiskalpakt „teuer erkauft“

Allerdings droht Merkel nun massiver Widerstand der Wirtschaft, Spitzenverbände laufen Sturm dagegen. „Für die Unternehmen würden Absicherungsgeschäfte verteuert, die Bürger wären nicht nur bei der langfristigen Altersvorsorge, sondern auch bis hin zum Kleinsparer betroffen“, warnte der Verband der deutschen Kreditwirtschaft. „Eine Steuer muss alle wesentlichen Finanzplätze in Europa einbeziehen.“ Der Chefvolkswirt der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Alexander Schumann, sagte: „Wenn eine Finanztransaktionssteuer nur in einzelnen Staaten eingeführt wird, treibt das das Kapital nur zu anderen Finanzplätzen.“ Die Zustimmung zum Fiskalpakt sei „teuer erkauft“.

Merkel plädiert jetzt auch für eine Reform der EU: Die Währungsunion solle durch eine Fiskalunion mit gemeinsamer Haushaltspolitik und eine politische Union ergänzt werden, sagte sie. „Wir müssen Schritt für Schritt Kompetenzen an Europa abgeben.“ Ein EU-Gipfel Ende Juni soll einen Arbeitsfahrplan beschließen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz fordert für eine solche Reform einen europäischen Verfassungskonvent. Das Parlament dürfe nicht beiseite gedrängt werden.