Essen. . Die Einführung einer Steuer auf Börsengeschäfte – die so genannten Finanztransaktionssteuer – wird immer wahrscheinlicher. Bundesfinanzminister Schäuble und acht seiner EU-Kollegen haben in einem Brief an die dänische EU-Ratspräsidentin Vestager einen Vorschlag zur Umsetzung der Steuer bis Mitte dieses Jahres angemahnt.
Die Einführung einer Steuer auf Börsengeschäfte – die so genannten Finanztransaktionssteuer – wird immer wahrscheinlicher. Banken und Versicherungen sollen so stärker an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und acht seiner europäischen Kollegen haben Medienberichten zufolge in einem Brief an die dänische EU-Ratspräsidentin Margrethe Vestager einen Vorschlag zur Umsetzung der Steuer bis Mitte dieses Jahres angemahnt.
Was ist eine Finanztransaktionssteuer?
Vereinfacht gesagt funktioniert sie wie eine Mehrwertsteuer auf Bankgeschäfte. Jeder Handel mit Finanzprodukten – Aktien, Anleihen, Devisen und Spekulationspapieren – soll mit einer Steuer belegt werden. Diese soll Geld in die Staatskassen spülen und Spekulationen, die das weltweite Finanzsystem ins Wanken brachten, eindämmen. Konkrete Vorschläge über die Höhe der Steuersätze gibt es bisher nur von der EU-Kommission. Sie hat Börsensteuer-Pläne für die gesamte EU im September 2011 vorgestellt.
Wie lautet der Vorschlag der Kommission und wie viel Geld würde er bringen?
Sämtliche Handelsgeschäfte zwischen Banken, Versicherungen und anderen Finanzinstituten sind zu besteuern. Private Geschäfte bleiben unberücksichtigt. Der Aktien- und Anleihen-Handel soll mit 0,1 Prozent, der mit Derivaten mit 0,01 Prozent auf den Preis besteuert werden. Die EU-Kommission rechnet bei einer Einführung in allen 27 EU-Staaten mit Jahreseinnahmen über 55 Milliarden Euro.
Wie soll das Geld verwendet werden?
Darüber besteht bisher keine Einigkeit. Die EU-Kommission will es zwischen EU und den Mitgliedstaaten aufteilen. Es gibt aber auch Forderungen, das Geld für Investitionsprogramme zur Stützung der Wirtschaft in den EU-Krisenstaaten zu verwenden.
Welche Haltung hat die Bundesregierung zu den Steuerplänen?
Die CDU und Kanzlerin Angela Merkel sind mittlerweile für die Börsensteuer. Notfalls sollen nur die 17 Euro-Staaten diese einführen. Die FDP war bisher dagegen. Sie wollte nur eine „große Lösung“ mit allen 27 EU-Staaten, um den Finanzplatz Frankfurt nicht zu schwächen. Die Liberalen fürchten zudem, dass die Banken die Mehrkosten auf die Kunden umlegen würden. Ihre Ablehnung aber bröckelt. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki, der seine Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl am 6. Mai führt, forderte am Sonntag die FDP-Spitze zu mehr Kompromissbereitschaft auf. „Die FDP verliert nicht ihr Gesicht, wenn sie der Einführung der Finanztransaktionssteuer zunächst in den 17 Euro-Staaten zustimmt“, sagte Kubicki.
Was sagt die Opposition?
SPD, Grüne und Linke sind für die Einführung der Steuer. Die „Spekulanten als Mitverursacher der Krise an den Kosten zu beteiligen“ sei ein „Gebot der Gerechtigkeit“, sagte SPD-Chef Gabriel.
Warum ist es so wichtig, was die Opposition will?
Sie hat ein Druckmittel: Die schwarz-gelbe Bundesregierung braucht bei der Abstimmung über den jüngst ausgehandelten EU-Fiskalpakt, der die EU-Staaten zur Haushaltsdisziplin verpflichtet, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die Transaktionssteuer ist Teil der Verhandlungsmasse für die Zustimmung geworden. Hatten SPD und Grüne ihr Abstimmungsverhalten zunächst nicht von der Einführung einer Börsensteuer abhängig gemacht, schlugen die Sozialdemokraten am Wochenende andere Töne an. Die Einführung der Finanztransaktionssteuer sei Bedingung für ein Ja der SPD zum Fiskalpakt, so Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.
Warum ist eine EU-weite Transaktionssteuer nicht machbar?
Alle 27 EU-Staaten müssten zustimmen. Großbritannien aber will nicht mitmachen, aus Angst um den Finanzplatz London. Dieser würde gegenüber den USA, die die Finanztransaktionssteuer ablehnen, geschwächt.