Göttingen/Dresden. Ihr Leidenschaft sind soziale Themen. Sie ist redegewandt und telegen - und nun Teil der neuen Doppelspitze der Linken. Katja Kipping, vor einem halben Jahr Mutter geworden. Die Politikerin will “die verdammte Ost-West-Verteilung“ beenden und die Feindschaft der Parteiflügel aus dem Weg schaffen.
Vor einem Jahr ließ Katja Kipping wissen, sie könne es sich wohl vorstellen, ihre Partei einmal anzuführen. Aber zunächst stehe die Familienplanung im Vordergrund. Ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter ist es nun so weit: Kipping ist neue Linke-Vorsitzende. Sie will "die verdammte Ost-West-Verteilung" beenden und eine "gemeinsam handelnde Linke" anführen, wie sie vor ihrer Wahl am Samstagabend auf dem Parteitag in Göttingen sagte.
Geahnt haben viele Kippings Aufstieg schon, als sie von 1999 an im Dresdner Stadtrat saß und parallel dazu als PDS-Landtagsabgeordnete mit ihrem "mobilen Abgeordnetenbüro", einem kuriosen Fahrrad, zu den Terminen flitzte. Da studierte sie noch Slawistik, Amerikanistik und Öffentliches Recht an der TU Dresden. Mit 20 Jahren war sie 1998 der PDS beigetreten und gehörte sofort zu den prägenden Gesichtern einer jungen Linken.
Der auch "Jugendbrigade" genannte Kreis wurde in Sachsen von älteren Abgeordneten und Parteimitgliedern misstrauisch beäugt. Innerparteiliche Kritiker hielten auch Kipping vor, vor allem auf ihre eigene Karriere bedacht zu sein und so schnell wie möglich nach Berlin zu wollen.
Leidenschaft für soziale Themen
In Dresden im Landtag war sie als Sprecherin für Verkehrs- und Energiepolitik zuständig, Bereiche, die mit ihren eigentlichen politischen Leidenschaft für soziale Themen wenig zu tun hatten.
Indessen verfehlten telegenes Aussehen und Redegewandtheit ihre Wirkung offenbar nicht: 2003 wurde sie zur stellvertretenden PDS- Bundesvorsitzenden gewählt. "Ich konnte doch nicht ahnen, dass die Partei in eine Krise geriet und ein junges Talent aus Sachsen in den Bundesvorstand sollte", blickte sie später ziemlich selbstbewusst zurück. So blieb auch nicht mehr allzu viel Zeit für die Hobbys Tanz und Fotografie sowie für die Liebe übrig.
Für die vorgezogenen Bundestagswahlen 2005 wurde sie dann an die Spitze der sächsischen Landesliste gewählt - nachdem Schauspieler Peter Sodann den Linken in Sachsen einen Korb gegeben hatte. Bekannt wurde Kipping über Sachsen hinaus als Fernseh-Talkgast. Nicht nur dort zeigte sich allerdings, dass sie es recht gut versteht, ihre Positionen abzuspulen und gleichzeitig kritische Fragen zu umschiffen.
Feindschaft in der Partei überwinden
Im Bundestag fand sie endgültig zum Thema Sozialpolitik zurück, seit 2009 leitet sie den Ausschuss für Arbeit und Soziales. Bereits seit 2004 tritt sie für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein.
Nun will Kipping der Partei zum Neustart verhelfen und die Feindschaft der Flügel überwinden. Eigentlich wollte sie gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Landessprecherin Katharina Schwabedissen als weibliche Doppelspitze einen "dritten Weg" jenseits des Lagerdenkens gehen. Doch die beiden Frauen sahen ihre Chancen schwinden und entschieden sich kurz vor der Wahl um. Schwabedissen zog ihre Kandidatur zurück. (dapd)