Göttingen. Mit deutlicher Mehrheit ist die Politikerin auf dem Parteitag zur Vorsitzenden gewählt worden. Wer mit ihr zusammen das Führungsduo bilden wird, ist noch offen. Ursprünglich wollte Kipping mit Schwabedissen die Doppelspitze bilden - diese zog aber ihre Kandidatur zurück. Auf dem Parteitag kam es auch zum Streit zwischen Gysi und Lafontaine.
Katja Kipping ist neue Parteichefin der Linken. Die 34-Jährige hat sich mit 371 zu 162 Stimmen gegen ihre Konkurrentin Dora Heyenn aus Hamburg durchgesetzt. Damit ist der erste Teil des Wahldramas bei der Linken auf ihrem Parteitag in Göttingen zu Ende.
Im Laufe des Abends wählen die Delegierten die zweite Person für die Doppelspitze. Im Rennen sind der schwäbische Gewerkschafter Bernd Riexinger und der Realpolitiker aus Ostdeutschland, Dietmar Bartsch.
Kipping wollte ursprünglich nur zusammen mit NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen eine Doppelspitze bilden und damit einen neuen Weg gehen, um die Flügelkämpfe in der Partei zu überwinden. Vor dem ersten Wahlgang hat Schwabedissen – ebenso wie Sabine Zimmermann - aber ihre Kandidatur zurückgezogen und will nun als stellvertretende Parteichefin kandidieren.
Um einen Vertreter aus den neuen und einen aus den alten Ländern an der Parteispitze zu installieren, müssten die Delegierten nun für Riexinger anstatt Bartsch stimmen. Kipping appellierte aber vor ihre Wahl dazu, mit der „verdammten Ost-West-Verteilung“ aufzuhören.
In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Spekulationen gegeben, ob Sahra Wagenknecht in letzter Minute ins Rennen geht, um Intimfeind Bartsch zu verhindern. „Ich möchte nicht die Polarisierung auf die Spitze treiben“, begründete Wagenknecht ihre Entscheidung, doch nicht anzutreten. Zugleich sprach sie sich für Riexinger aus, indem sie eine „neue Führung jenseits der Konfliktlinien“ forderte.
Streit zwischen Gysi und Lafontaine
Noch am Nachmittag hatten Fraktionschef Gregor Gysi und Parteipatriarch Oskar Lafontaine eindringlich um die Einheit der Partei geworben. Dabei ist es zum offenen Streit der Alphatiere gekommen, der die Gräben in der Linken erst recht offenbarte. Wenn es nicht gelänge, eine kooperative Führung zu wählen, dann „wäre es besser, sich zu trennen“, drohte Gysi offen mit der Spaltung der Partei.
Aus Gysis Sicht solle „keine mit Tricksereien mit übler Nachrede, mit Denunziation in jeder Hinsicht verkorkste Ehe“ geführt werden. Die Linke müsse begreifen, das sie im Osten eine Volkspartei und im Westen eine Interessenpartei sei. „Ich will nicht begreifen, dass es uns spaltet“, sagte Gysi. Dann legte er sich mit den radikalen Kräften aus dem Westen, vertreten durch Lafontaine, an, die sich gegen den Reformkurs der Landesverbände aus dem Osten stemmen. Gysi geißelte deren Kritik, die ihn an die „Arroganz“ der alten Bundesländer bei der Wiedervereinigung erinnert.
Darauf kam es zum offenen Streit mit Lafontaine. „Trotz aller Schwierigkeiten gibt es keinen Grund, das Wort Spaltung in den Mund zu nehmen“, polterte der 68-Jährige. Zugleich kritisierte er das „dumme Gerede von der Regierungsunwilligkeit“ der westlichen Landesverbände. Eben dies werfen die Reformer aus dem Osten ihren Kollegen vor. Sie finden, dass sich die Linke in den alten Ländern zu sehr an der SPD abarbeitet und damit in der Opposition einmauert.
Die Linke habe große politische Erfolge errungen, erinnert Lafontaine die Delegierten. Es gebe keinen Grund, dies nicht wieder zu versuchen. Wer neben Kipping den seit Monaten produzierten Scherbenhaufen ab morgen zusammenfegen darf – oder muss, entscheidet sich im Laufe des abends. Ex-Parteichef Klaus Ernst forderte mehr Solidarität für die neue Parteiführung ein: „Wenn Teile der Partei mit der neuen Führung umgehen wie mit der alten, werden wir wieder ein Problem haben.“