Göttingen. Neubeginn oder Spaltung? Auf dem Wahlparteitag der Linken am Wochenende entscheidet sich mit der Wahl einer neuen Parteispitze die Zukunft der Partei.
Am Wochenende entscheidet die von kriselnde Linke darüber, welche Doppelspitze sie künftig führen wird. Insgesamt gibt es derzeit zehn Bewerber für die beiden Vorsitzenden-Posten. Einer der beiden Posten muss mit einer Frau besetzt sein. Weil nicht mehr mit einem gemeinsamen Vorschlag der Parteispitze gerechnet wird, sind Kampfabstimmungen zu erwarten. Das sind die Kandidaten, die sich zur Wahl stellen:
Dora Heyenn
Die 63-jährige Dora Heyenn kandidiert als Einzelbewerberin und ohne jede Bedingungen. „Ich kann und will mit jedem arbeiten“, schreibt die Fraktionschefin der Hamburger Linken in ihrem Erklärung zur Kandidatur. Die Gewerkschafterin Heyenn trat 1999 bei der SPD aus und half 2005 bei der WASG-Gründung mit. Die Vertreterin des gesetzlichen Mindestlohns findet, dass die Aufbruchstimmung bei der Linken verflogen ist und will als Parteichefin dazu beitragen, die Kräfte in der Linken wieder zusammenzuführen. Heyenn hat durchaus Siegchancen: Sie kann mit Unterstützung aus dem Bartsch-Lager und den undogmatischen Mitgliedern aus dem Westen rechnen.
Katja Kipping
Die 34-jährige Katja Kipping will zusammen mit NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen das Lagerdenken in der Partei überwinden und für einen neuen Aufbruch sorgen. Aus ihrer Sicht hat der neue Parteivorstand drei Hauptaufgaben: Neue Mitglieder gewinnen, die Linke wieder stärker in gesellschaftlichen Debatten positionieren und den Negativtrend in den Umfragen stoppen. Die gebürtige Dresdnerin fordert unter anderem das bedingungslose Grundeinkommen. Die Mutter einer kleinen Tochter stemmt sich gegen Fiskalpakt und Schuldenbremse. Sie schlägt eine Arbeitszeitverkürzung vor, um dem gesellschaftlichen Burnout entgegenzuwirken. Kipping könnte Parteichefin werden, weil viele Linke von den Flügelkämpfen in der Partei genug haben.
Katharina Schwabedissen
Die NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen tritt zusammen mit Katja Kipping an. Die 39-Jährige will eine streitlustige, solidarische und sozialistische Linke. Die zweifache Mutter ist gegen jede Militarisierung, gegen den Fiskalpakt und will den Klassenkampf auch in den Kommunen führen. Schwabedissen muss zwar das schlechte Ergebnis der Linken bei der NRW-Wahl mitverantworten. Sie kann aber aus dem feministischen Lager und von den flügelkampfmüden Parteimitgliedern auf Stimmen hoffen und hat daher ebenfalls Siegchancen.
Sabine Zimmermann
Sabine Zimmermann ist langjährige Gewerkschaftssekretärin beim DGB Sachsen und gegen prekäre Beschäftigung und Hartz IV. Sie will eine gerechte Entwicklung von Löhnen, Sozialleistungen und Renten. Zudem möchte die 51-jährige Bundestagsabgeordnete, dass in unserer Gesellschaft kein Kind in Armut aufwachsen muss. Zimmermanns Siegchancen sind eher gering, sie könnte ein Doppel mit Riexinger bilden.
Dietmar Bartsch
Der Realpolitiker Dietmar Bartsch hat bereits im November 2011 seine Kandidatur erklärt. Als Parteichef würde der 54-Jährige vor allem vier Dinge anstoßen: Die innerparteiliche Demokratie stärken, Partner für alternative linke Politik gewinnen wie etwa bei der Mindestlohnkampagne, die Linke für die kommenden Wahlen vorbereiten und die Partei modernisieren. Bartsch war als Bundesgeschäftsführer bis 2009 ein erfolgreicher Parteimanager. Dann fiel er wegen angeblicher Illoyalität zum Parteipatriarchen Oskar Lafontaine in dessen Ungrade. Seitdem ist er Intimfeind des Lafontaine-Lagers. Bartschs Siegchancen stehen dennoch gut, weil er auf die Stimmen aus dem Reformerlager hoffen darf. Er könnte die Partei mit Heyenn oder Kipping führen.
Bernd Riexinger
Bernd Riexinger ist Gewerkschaftssekretär aus Baden-Württemberg und geht als Bartsch-Verhinderer ins Rennen. Er ist Mitinitator der bundesweiten Demonstrationen gegen die Agenda 2010 und wird von Lafontaine und Sahra Wagenknecht unterstützt. Der 56-Jährige kann daher mit Stimmen von den Bartsch-Gegnern rechnen und könnte mit Kipping die Partei führen.
Bernd Horn
Der 60-jährige Bernd Horn aus Herten findet, dass die Parteispitze eine Struktur braucht, „die nicht mit den parlamentarischen Klammern behaftet und beschwert ist.“ Der Gründer des Wählerbündnisses AUF-Herten fordert, dass endlich Schluss sein müsse, die Linke nach Himmelsrichtung, Strömung, Geschlecht oder Alter auszurichten. Er fordert den Sozialismus in Deutschland. Horns Siegchancen sind praktisch null.
Sahra Wagenknecht
Die 42-Jährige Lebenspartnerin von Lafontaine hat ihre Kandidatur noch nicht erklärt. Sahra Wagenknecht steht für dessen Erbe und verfolgt einen antikapitalistischen Kurs. Wagenknecht will das Vorstandsduo Kipping/Riexinger unterstützten. Möglicherweise kandidiert sie aber doch für den Vorsitz, um Bartsch zu verhindern. Dann könnte sie mit den Stimmen aller Lafontaine-Fans und Bartsch-Gegner in der Linken rechnen. Fraglich wäre, mit wem Wagenknecht dann die Partei führen wollte. Lediglich ein Doppel mit Bartsch scheint ausgeschlossen.
Jürgen Stange
Jürgen Stange ist gelernter Koch, Bürokaufmann, Vollkaufmann, Gastronom und Journalist. Der 64-Jährige ist weitgehend unbekannt und ist seit 2004 in der Kommunalpolitik aktiv. Welche politischen Ziele er als Parteichef verfolgen will, sagt er nicht. Er hat keine reale Siegchance.
Werner Klein
Von dem Kandidaten liegen keine Bewerbungsunterlagen vor. Seine Kandidatur ist praktisch chancenlos. (mit afp)