Essen. . Die CDU-Basis in NRW fordert die schonungslose Aufarbeitung der Wahlniederlage. In mehreren Kreisverbänden heißt es, die Union brauche in NRW andere Themen und frisches Führungspersonal. Armin Laschet und Karl-Josef Laumann, die die Röttgen-Nachfolge anstreben, sind nicht unumstritten.
Die CDU-Basis in NRW fordert die schonungslose Aufarbeitung der Wahlniederlage. In mehreren Kreisverbänden heißt es, die Union brauche in NRW andere Themen und frisches Führungspersonal. Armin Laschet und Karl-Josef Laumann, die die Röttgen-Nachfolge anstreben, sind nicht unumstritten. Die Sehnsucht nach „prägnanten Typen“ wie Friedrich Merz, die ein konservatives Profil und Wirtschaftskompetenz haben, ist groß.
Gefallen findet eine Idee der CDU in Unna: Bevor ein Parteichef gekürt wird, soll es eine Konferenz der 54 Kreisvorsitzenden und des Landesvorstandes geben. „Wir müssen der Basis Gehör verschaffen. Wir brauchen die Erneuerung“, heißt es dort.
„Die Stimmung schwankt zwischen Enttäuschung und Wut. In Krisenzeiten dürfen Entscheidungen nicht im Hinterzimmer getroffen werden“, sagte Christian Hötting, stellvertretender CDU-Chef im Kreis Wesel, dieser Zeitung. Guido Tann, CDU-Kreisvorsitzender in Gelsenkirchen, findet die Beteiligung der Basis richtig. „Man muss darüber reden, wer die Partei führen soll. Man muss sich vielleicht die Frage stellen, ob Laumann oder Laschet die richtigen sind“, sagt Tann. NRW-Wahlen, so Tann, würden im Ruhrgebiet gewonnen und verloren. Da dürfe man auch über Kandidaten aus der Region nachdenken. Von einer „Funktionärs-Konferenz“ hält der Dortmunder CDU-Kreisvorsitzende Steffen Kanitz nichts. Doch auch er berichtet von internen Diskussionen: „Einige finden, Laumann stehe mehr für die CDU-Kernklientel als Laschet. Andere wollen einen unverbrauchten Kandidaten“.
Weitere Kandidaten auf den Parteivorsitz sollen sich am Donnerstag outen
Im Machtkampf um den Landesvorsitz warnt der Wirtschaftsflügel vor einer „überstürzten“ Wahl des Sozialpolitikers Laumann zum Partei- und Fraktionschef. Laumann würde das Angebot der CDU „zu stark einengen“, sagte der NRW-Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Hartmut Schauerte. Er ist für Laschet als CDU-Landeschef. Die Parteigliederung stellt auch die Wiederwahl von NRW-CDU-Generalsekretär Oliver Wittke in Frage. Am Donnerstag wird der Landesvorstand tagen. Dann soll sich klären, ob es weitere potenzielle Kandidaten für den Parteivorsitz gibt.
In Revierstädten wie Gelsenkirchen, Dortmund und Essen ist der Absturz der CDU besonders hart. Unter 20 Prozent – das ist wie ein Rückfall in jene Zeiten, in denen die Union im Ruhrgebiet nichts reißen konnte.
Gelsenkirchen hatte mal einen CDU-Oberbürgermeister: Oliver Wittke. 1999 war die Union in dieser Stadt für über 40 Prozent gut. Heute für 20. „Schockierend“ findet das Guido Tann, Kreisvorsitzender der CDU. Wittke, der nun als Generalsekretär und Organisator der Wahlkampagne unter anderem von der CDU-Mittelstandsvereinigung heftig unter Feuer genommen wird, habe in „seiner“ Stadt noch immer großen Rückhalt, unterstreicht Tann.
Jubel und Trauer im Revier
„CDU unterschätzt das Lebensgefühl der jungen Generation“
Eine Frage treibt Tann und viele seiner Parteifreunde in diesen Tagen um: Wofür steht diese NRW-CDU überhaupt? Nicht wenige träumen von einer Partei, die wieder ihre Kompetenz in Wirtschaftsfragen herausstellt und ihr „konservatives Profil“. Noch etwas sorgt die Funktionäre: Die CDU entfernt sich rasend schnell von der jungen Generation. „Wir unterschätzen völlig dieses Lebensgefühl“, ärgert sich Guido Tann. 20 000 Erststimmen habe die Union in Gelsenkirchen bei dieser Wahl geholt, die Piraten immerhin 9000. Ein Warnschuss für die CDU.
Sascha Kurth (28), der Vorsitzende der Jungen Union (JU) in Gelsenkirchen, sagt es deutlich: „In manchen Fragen ist die JU nicht weit weg von den Piraten.“ Wohl aber der Rest der Partei. Das Urheberrecht oder die Datenspeicherung seien Themen, die junge Leute heute beschäftigen. Die CDU dürfe das nicht ignorieren. „Wir müssen lernen, dieses Lebensgefühl der Jungen komplett in die CDU aufzunehmen“, mahnt Sven Volmering, der NRW-Vorsitzende der JU, gegenüber dieser Zeitung.
„So wütend und frustriert habe ich diese Partei noch nie erlebt“, sagt Volmering. Die JU fordert nun eine „Wahlanalyse auf breiter Basis“. Das heißt: Auf mehreren Regionalkonferenzen müsse jetzt jedes Mitglied in NRW die Chance bekommen, seine Meinung zu Inhalten und Personal zu sagen. Noch etwas fordert der Parteinachwuchs ein: ein eigenes CDU-Grundsatzprogramm für NRW. Volmering: „Wir müssen klären, was wir wollen. Bei den Kommunalfinanzen, bei Studiengebühren, beim Nichtraucherschutz.“
CDU-Mittelständler unterstützen Laschet
Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Landespartei, Hartmut Schauerte, bezieht nun klar Stellung: Armin Laschet soll Norbert Röttgen im Landesvorsitz folgen. Hier drei Fragen an den CDU-Politiker:
Herr Schauerte, der Machtkampf über die Röttgen-Nachfolge als CDU-Landeschef in NRW zwischen Laumann und Laschet soll bis Ende Juni entschieden sein. Was sagt der Wirtschaftsflügel?
Hartmut Schauerte: Nach dem historischen Denkzettel in NRW dürfen wir nichts überstürzen und sollten uns mehr Zeit für die Analyse lassen. Der Mittelstand sieht auch nicht die Notwendigkeit, dass Landes- und Fraktionsvorsitz in einer Hand liegen. Wir setzen auf Armin Laschet als CDU-Landeschef, weil der Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann das CDU-Angebot in NRW als Fraktions- und Landeschef zu stark einengen würde.
Laschet steht der Wirtschaft näher?
Schauerte: Ja. Er ist wirtschaftsnäher und ein Modernisierer. Wir entscheiden jetzt nicht über einen Spitzenkandidaten für 2015. Fünf Jahre sind eine lange Zeit.
Hätte eine Doppelspitze Laumann/Laschet in Fraktion und Partei denn überhaupt die nötige Durchschlagskraft?
Schauerte: Wir würden damit die Durchschlagskraft erhöhen. Bei der Lösung mit Laschet stellt sich auch die Frage nach dem Generalsekretär, weil Laschet anders als Röttgen bisher voll in Düsseldorf präsent wäre. Eventuell reicht dann auch ein Geschäftsführer. Das würde die Kosten senken.