Paris. Marine Le Pen tritt in die Fußstapfen ihres Vaters. Wie er bedient sie die fremdenfeindlichen Klischees, wie er gewinnt sie damit in den Umfragen an Stimmen. Doch an einen Überraschungserfolg der Nationalistin bei der Wahl am Sonntag glaubt kaum jemand.
Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren schaffte der rechtsextreme « Front National » die Sensation . Anders als von allen Meinungsforschern vorhergesagt, kam es nicht zum Stichkampf Jospin – Chirac, nein, der Wähler entschied sich für das Duell Chirac - Le Pen. Fünf Jahre später schien der « Front » endgültig erledigt, doch Totgesagte leben bekanntlich länger . Dass die Rechtsextremen wieder starken Zulauf haben, ist das große Verdienst der neuen Vorsitzenden Marine Le Pen. Die Tochter des Parteigründers propagiert beharrlich die « Entdämonisierung » des Front.
Ein Kurswechsel, der sich seit Monaten in zunehmender Beliebtheit der Spitzenkandidatin niederschlägt. Im ersten Wahlgang an diesem Sonntag darf die « Front »-Chefin mit rund 16 Prozent der Stimmen und dem drittbesten Ergebnis aller zehn Kandidaten rechnen. Obwohl Abweichungen von rund zwei Prozent möglich sind, steht damit zugleich fest : eine Sensation wie 2002, einen erneuten « 21.April », wird es dieses Mal nicht geben. Es gilt als sicher, dass Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und der sozialistische Herausforderer Francois Hollande in die Stichwahl kommen.
Marine Le Pen verkneift sich die dumpf-rassistischen Parolen ihres Vaters
Indem sie sich die hetzerischen und dumpf-rassistischen Parolen ihres Vaters verkneift, dringt sie immer tiefer in die bürgerlichen Wählerschichten und sogar in das Arbeitermilieu ein. Jüngste Studien belegen sogar, dass sie in der Gunst der Jungwähler in Führung liegt. Einer CSA-Umfrage zufolge darf sie bei den 18- bis 24-Jährigen mit einem Stimmenanteil von 26 Prozent rechnen (Platz 2 : Hollande 25 %).
Ähnlich wie Jean-Luc Mélenchon auf Linksaußen ist auch Marine Le Pen afu der rechten Seite dabei, die Enttäuschten einzusammeln. Zu diesen Protestwählern zählen unzufriedene Handwerker ebenso wie Arbeiter, Arbeitslose und auch Akademiker. Während Nicolas Sarkozy in der Europapolitik aus wahltaktischen Erwägungen einen rätselhaften Zickzack-Kurs fährt, setzt sie auf messerscharfe Abgrenzung : Raus aus dem Euro, raus aus der EU, Nein zum Fiskalpakt.
Le Pen schürt Angst vor Einwanderern - ganz in der Tradition ihres Vaters
Leidenschaftlich wettert sie gegen das « System » und gegen den « republikanischen Adel », immer wieder stellt sie « Betrüger, Profiteure und Finanzjongleure » an den Prangern. Gleichzeitig schürt sie, ganz in der Traditon des Vaters, die Angst vor Einwanderern und Islamisten – erst recht nach dem Attentat von Toulouse.
So wolkig die meisten ihrer Forderungen klingen mögen : Wenn es um den besorgniserregenden Zustand der französischen Wirtschaft geht, trifft sie den Nagel auf den Kopf . « Der Laden ist dabei zusammenzubrechen , die Lage ist weitaus schlimmer , als man denkt », sagte sie neulich der Zeitung « Le Monde ».
Marine Le Pen hat erreicht, dass Nicolas Sarkozy (Slogan « La France forte »-Starkes Frankreich ) vor dem ersten Wahlgang nach rechts abdriftet ist. Und je weiter die « Entdämonisierung » voranschreitet, desto wahrscheinlicher werden Bündnisse des Front mit den bürgerlichen Gaullisten. Marine Le Pen als Ministerin in einer von Sarkozy geführten Regierung ? Dafür ist es allerdings noch zu früh.