Paris. Der Präsident hängt im Popularitätstief - nun will er mit dem Reizthema illegale Einwanderung punkten: Frankreich werde europäische Abkommen kündigen, wenn die türkisch-griechische Grenze nicht besser gegen Einwanderer dicht gemacht werde.
Um aus dem Popularitätstief zu kommen, baut der französische Präsident Nicolas Sarkozy offenbar auf das Reizthema illegale Einwanderung. Bei einem Wahlkampfauftritt in Villepinte bei Paris am Sonntag drohte er mit dem Austritt Frankreichs aus dem Schengen-Abkommen, sollten keine Fortschritte bei der Grenzsicherung erzielt werden.
"Wir brauchen eine gemeinsame Disziplin bei Schengen, ebenso wie wir eine gemeinsame Disziplin beim Euro haben", sagte Sarkozy. Die Sache sei dringend. Eine Reform sei die einzige Möglichkeit, eine Implosion Europas zu verhindern. "Wenn ich innerhalb der kommenden zwölf Monate feststelle, dass kein nennenswerter Fortschritt in dieser Richtung gemacht wurde, dann wird Frankreich seine Beteiligung an den Schengen-Verträgen aussetzen, bis diese Verhandlungen abgeschlossen sind", sagte er vor einem Meer aus blau-weiß-roten Trikoloren. Technokraten und Gerichte dürften nicht länger die Einwanderung steuern, erklärte Sarkozy.
Auch andere EU-Staaten fordern härtere Maßnahmen gegen Illegale
Einer der Hauptwege für Flüchtlinge in die EU führt über die türkisch-griechische Grenze. 55.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr beim Versuch aufgegriffen, dort illegal in die EU zu gelangen. "Die Grenze ist offen wie ein Scheunentor", schimpfte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor wenigen Tagen. Am Mittwoch forderten Deutschland, Österreich, Belgien, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Schweden einen Aktionsplan, um dem Zustrom illegaler Einwanderer in die Union einen Riegel vorzuschieben. Brüssel soll prüfen, ob die Staaten ihre Verpflichtungen als Schengen-Mitglieder erfüllen, und jährlich Bericht erstatten. Der erste soll im Mai vorgelegt werden.
In den vergangenen Wochen wurde das Thema illegale Einwanderung in Frankreich heiß debattiert. Kritiker werfen Sarkozy vor, damit wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen im April und Mai auf Stimmenfang am rechten Rand zu gehen. Jüngsten Umfragen zufolge würde Sarkozy im zweistelligen Prozentbereich gegen den Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten, François Hollande, verlieren, sollten die beiden wie erwartet in der entscheidenden Wahlrunde am 6. Mai gegeneinander antreten.
Während des Arabischen Frühlings im vergangenen Jahr verärgerte Italien Frankreich und andere europäische Staaten mit der Vergabe von Aufenthaltsvisa an tausende Flüchtlinge aus Tunesien. Viele von ihnen wollten in der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich Verwandte und Freunde aufsuchen.
Sarkozy will Kauf europäischer Waren fördern
Beim Wahlkampfauftritt in Villepinte forderte Sarkozy auch striktere Regeln bei öffentlichen Ausschreibungen. Europa brauche ein "Buy-European"-Gesetz nach dem Vorbild des "Buy-American"-Gesetzes in den USA. Sollte es hierbei innerhalb von zwölf Monaten keine Fortschritte in Europa geben, werde Frankreich einseitig derartige Klauseln in Kraft setzen. Er sehe nicht ein, warum die USA mit der "freiesten Marktwirtschaft der Welt" sich etwas erlaubten, was sich Europa verbiete. Er glaube an den freien Handel, aber der dürfe die Welt nicht nach unten ziehen. Auch müssten den kleineren und mittleren Firmen in Europa Marktanteile gesetzlich zugesichert werden. "Ich weiß, dass ich dafür kritisiert werde, aber das ist mir egal", sagte Sarkozy.
Bis 2016 soll Frankreich nach dem Willen Sarkozys einen ausgeglichenen Haushalt haben. Daher sei die Rentenreform notwendig gewesen, sagte Sarkozy. Jeder Arbeitslose bekomme das Recht auf eine Ausbildung. Außerdem werde er die französische Atomindustrie verteidigen. Es werde auch einen neuen Plan für die Sanierung der Vorstädte des Landes geben. Die Linke habe diese Viertel in den 80er-Jahren vernachlässigt, fügte er unter dem Jubel seiner Anhänger hinzu.
"Ich weiß, was noch zu tun ist. Helft mir! Wir haben zwei Monate vor uns, um alles umzudrehen", rief Sarkozy unter Anspielung auf die schlechten Umfrageergebnisse. (dapd)